Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
genug waren, um sich an den Kriegsanstrengungen zu beteiligen, waren dazu ermuntert worden. Zurückgeblieben waren nur der Chauffeur ihrer Großmutter, der Butler, die Köchin und Emeralds Kinderfrau, die alle schon zu alt waren, um richtige Kriegsarbeit zu leisten. Ein paar junge Mütter aus der Stadt kamen heraus, um stundenweise bei ihnen zu putzen, die Räume, die nicht gebraucht wurden, wurden abgeschlossen, und die Möbel verschwanden unter weißen Tüchern.
Gegessen wurde inzwischen nicht mehr im Speisezimmer, sondern in der Küche, und obwohl die Kinderfrau zuerst Schwierigkeiten gemacht hatte, weil sie sich nun in die Küche hinunterbequemen musste, statt das Essen von einem Dienstmädchen oben im Kindertrakt serviert zu bekommen, gefielen Amber die zwanglose Atmosphäre und die gemütliche Wärme in der Küche. Es erinnerte sie in vielem an ihre Kindheit.
Nichts würde die Schuldgefühle je auslöschen können, die sie wegen Roberts und Lucs Tod verspürte, sie wollte das auch gar nicht, aber ihre Großmutter hatte recht: Robert hätte sich gewünscht, dass sie sich an den Kriegsanstrengungen beteiligte. Die Arbeit in der Fabrik lenkte sie außerdem ab.
Die Kontrollstelle für Seide und Kunstseide des Beschaffungsministeriums hatte ihr Hauptquartier in Macclesfield aufgeschlagen. Sämtliche Rohseide wurde inzwischen für die Herstellung von Fallschirmen requiriert, und so hatte sich ganz natürlich ergeben, dass Landkarten auf Seidenstücke gedruckt wurden, die winzig klein zusammengefaltet werden konnten und in der Notfallausrüstung der Flieger kaum Platz beanspruchten.
Die Kontrollstelle hatte Ambers Vorschlag, den Landkarten ein paar einfache Redewendungen hinzuzufügen, dem Kriegsministerium unterbreitet, das kurz darauf grünes Licht für den Druck einiger Musterstücke gab.
Es war eines dieser Musterstücke, das sie und Maurice eben begutachtet hatten. Amber hatte Roberts Freunde und Kontaktleute im Außenministerium angesprochen, um die Sätze korrekt in die jeweiligen Sprachen übersetzen zu lassen. Die Wendungen wurden nicht nur in diesen Sprachen gedruckt, sondern zusätzlich auch in Lautschrift.
Amber hatte Maurice, der nur Englisch sprach, gebeten, die Sätze James Lees-Milne vorzulesen, der gerade in der Nähe zu Besuch in Arley Hall weilte und bei dieser Gelegenheit in Denham Place vorbeigeschaut hatte.
»Ich lasse sie ins Ministerium schicken«, sagte Maurice und fügte beinahe ein wenig zu beiläufig hinzu: »Sie haben sicher gehört, dass Jay sich freiwillig gemeldet hat, oder?«
Amber erstarrte, wie immer, wenn Jays Name fiel. Sie konnte nichts dagegen tun. Jay und ihre Schuldgefühle waren für sie untrennbar miteinander verwoben.
»Meine Großmutter hat so etwas erwähnt«, meinte sie.
»Aye, sie ist bestimmt nicht glücklich, ihn zu verlieren, könnte ich mir vorstellen.«
Das war Blanche in der Tat nicht, und sie hatte diesem Gefühl wortstark Ausdruck verliehen. Jays Arbeit hatte ihn unabkömmlich gestellt, was ihn vom Kriegsdienst befreit hatte, und ihre Großmutter war nicht erfreut gewesen, als er dieses Hindernis umging, indem er einen Ersatzmann für sich suchte, sodass er selbst in den Krieg ziehen konnte. Der Mann war ein ehemaliger Gutsverwalter von Anfang sechzig. Amber hatte ihn schon kennengelernt und mochte ihn, musste aber zugeben, dass sie jeden mögen würde, der ihr half, Jay aus dem Weg zu gehen.
»Ich weiß nicht, was er mit seinen Mädchen anfangen will, wo er doch keine Frau hat«, meinte Maurice.
»Nachdem sie ja schon in Denham Place wohnen, können sie doch einfach dort bleiben«, erwiderte Amber.
Es hatte Amber gar nicht gefallen, als ihre Großmutter angekündigt hatte, dass Jay vom Witwensitz ins Haupthaus ziehen würde, doch es war nicht ihre Entscheidung, und aus praktischen Erwägungen war es sinnvoll, den Witwensitz zu schließen, solange Krieg herrschte.
»Aye, das ist wahr«, stimmte Maurice zu, »vor allem, wo Sie schon Gregs Mädchen dort wohnen haben und Ihre eigene Kleine.«
Amber war verwirrt über ihre ambivalenten Gefühle. Sie mochte Jays Töchter und empfand großes Mitgefühl für sie, weil sie schon so viel durchgemacht hatten. Die beiden und Rose waren im Grunde miteinander aufgewachsen, und Emerald tat es gut, drei größere Mädchen um sich zu haben, da sie – ermutigt von ihrer Großmutter, die sie in dem Glauben bestärkte, eine äußerst wichtige kleine Person zu sein – recht verzogen und halsstarrig
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