Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
genauso unaufhaltbar aus ihr heraus wie die Frühlingsboten im Hyde Park. Sie hatte so viel Spaß. Ihr Glück sprudelte und perlte in ihrem Innern, vor allem an Tagen wie diesem, wenn sie mit Lord Robert zusammen war.
Der »Professor« hatte sie mit in die Redaktion der Vogue genommen, wo sie einen Blick auf die Herausgeberin Mrs Alison Settle erhascht hatte und der Moderedakteurin Madge Garland vorgestellt worden war, die sie ziemlich spitz gebeten hatte, »Cecil, wenn Sie ihn sehen, daran zu erinnern, dass ich immer noch auf die Skizzen warte, die er mir versprochen hat«.
Sie waren im Britischen Museum gewesen, für das Cecil die Losung ausgegeben hatte, sie sollten sich alles Ägyptische ansehen. Doch was Amber anging, war das Beste der Besuch in der Royal Society of Arts hinter The Strand gewesen, wo sie staunend die Architektur betrachtet und eine Vorlesung über deren Ursprünge angehört hatte. Lord Robert hatte ihr versprochen, mit ihr nach West Wycombe zu fahren, jenem Dorf, das kürzlich von der Gesellschaft gekauft worden war, um es für zukünftige Generationen zu erhalten.
Die »Hausaufgaben«, die Cecil ihr aufgegeben hatte, bestanden aus Anweisungen wie: »Entwerfen Sie einen nach Süden ausgerichteten Raum für eine blonde Dame der feinen Gesellschaft, die nur Wedgwood-Blau trägt« oder: »Lord R. möchte neue Vorhänge für seinen Salon – das Thema ist ägyptisch-napoleonisch -, zeichnen Sie drei verschiedene Entwürfe.«
Manchmal wurden seine Anweisungen von kleinen Skizzen begleitet, ähnlich denen, die er für die Vogue zeichnete, ein andermal waren es nur ein paar grobe Notizen, doch Amber freute sich immer, wenn sie welche bekam, fast so sehr wie darüber, mit Lord Robert zusammen zu sein – besonders wenn sie wie heute allein waren, ohne Saville.
Amber himmelte Lord Robert an, der wie gewohnt seine akademische Verkleidung trug.
Die Tage flogen nur so dahin, da sie sich nun auf ihre Ausflüge mit Lord Robert freuen konnte, die französische Konversation mit der Comtesse du Brissac, den Kurs in Blumenstecken bei Constance Spry, an dem sie und Louise jetzt teilnahmen, und natürlich ihre Benimm-Stunden, die Amber, seit sie den Hofknicks beherrschte, keine Angst mehr einjagten.
Hinzu kamen die gesellschaftlichen Anlässe, die sie jetzt besuchte. Der Tag hatte nicht genug Stunden, wie sie sich gerade bei Lord Robert beklagt hatte.
»Lady Rutland behandelt Sie jetzt besser, nicht wahr?«, fragte er.
»Ja«, sagte Amber. Sie wollte den Tag nicht dadurch verderben, dass sie ihm gestand, wie unbehaglich und fehl am Platz sie sich bei diesen gesellschaftlichen Anlässen fühlte und wie deutlich sie die kühlen Blicke der Mütter der anderen Debütantinnen spürte, das steife Schweigen, die verlegenen Pausen, wenn die anderen Mädchen sie nicht am Gespräch beteiligten. Louise war ihr natürlich keine Hilfe. Sie ließ Amber deutlich spüren, dass sie sie verachtete, und ihre guten Freundinnen taten es ihr nach.
In gewisser Weise machte Amber ihnen keinen Vorwurf. Sie war schließlich eine Außenseiterin. Vermutlich hätte sie sich auch ohne Louises Unfreundlichkeit fremd gefühlt.
»Ich habe heute Morgen einen Brief von meinem Cousin Greg erhalten. Er geht nach Hongkong. Er schreibt, meine Großmutter sei der Meinung, es würde ihm guttun«, erzählte sie Lord Robert, um das Thema zu wechseln. »Es war ein Schock, denn er wollte eigentlich für einen Sitz im Unterhaus kandidieren. Er schreibt, dass er glaubt, Hongkong werde viel lustiger als ein Leben als Abgeordneter.«
Da Greg sich so begeistert über die neue Entwicklung zeigte, konnte Amber sich nur für ihn freuen. Doch sie würde ihn sehr vermissen, wenn er sich am anderen Ende der Welt aufhielte, an einem ihr unbekannten Ort, wo sie sich ihn, anders als in Macclesfield, nicht vor ihr geistiges Auge würde rufen können.
»Ich denke, da hat er recht«, stimmte Robert ihr zu. Sie war so unschuldig. Manchmal fast beängstigend naiv, wie er einräumte. Mit Amber zusammen zu sein war, wie ein Glas klares, reines Wasser zu trinken: Für das System zuerst ein Schock, da es an weitaus berauschendere Substanzen gewöhnt war, doch irgendwie hinterließ es in einem das Verlangen, zu seiner Schlichtheit und Güte zurückzukehren.
»Ich freue mich für Greg, aber für mich selbst bin ich enttäuscht, denn ich hatte gehofft, er würde auf dem Ball sein, den Lady Rutland nach der Präsentation bei Hofe gibt«, räumte Amber ein. »Dann hätte
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