Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
augenscheinlich, und am Ende verließ Amber den Laden ohne sie und war schon mehrere Meter die Straße hinunter, bis Louise sie endlich einholte, außer Atem, aber mit einem breiten Lächeln im Gesicht.
Die Teeparty wurde von Lady Wyesnaith in ihrem Haus in Carlton Terrace gehalten. Louise hatte ein enges, ärmelloses Satinkleid mit tiefemV-Ausschnitt in einem strahlenden Blau – fast demselben Ton wie ihre Augen – gewählt, während Lady Rutland unter ihren Pelzen ihr gewohntes schäbiges Schwarzes trug.
Amber, die niemanden hatte, der sie anleitete, hatte unsicher ihre Zofe gefragt: »Was meinen Sie, was soll ich anziehen?« Der zufriedene Blick, den Louise auf das sehr schlichte Kleid in einem hellen Bernsteingelb mit der farblich passenden, mit bernsteinfarbenen Perlen bestickten Jacke aus Seidensamt warf, das Amber gewählt hatte, verriet, dass Louise ihr eigenes Kleid viel besser fand.
Auch Lady Wyesnaiths Tochter würde bei Hofe vorgestellt werden, und die Schirmherrinnen der Debütantinnen luden zu solchen Teepartys, vorgeblich, damit die Mädchen einander kennenlernen und die Mütter die Terminkalender abgleichen konnten, um sicherzugehen, dass wichtige Debütantinnenbälle sich nicht überschnitten. In Wirklichkeit ging es für die Mütter jedoch darum, sich einen Überblick über die Konkurrenz zu verschaffen, um ihre Gästelisten entsprechend zu gestalten.
Amber, die aufmerksam zugehört hatte, als die Comtesse du Brissac ihnen erklärt hatte, wie wichtig die Kunst der Konversation war und wie man ein Gespräch anfing, tat ihr Bestes, als Lady Rutland sie, ohne sie vorzustellen, an einen Teetisch setzte, an dem nur noch ein Platz frei war, doch das Schweigen am Tisch verriet Amber, dass sie hier ein Eindringling war. Umso glücklicher war sie, als sich plötzlich eine Hand auf ihren Arm legte und die vertraute Stimme ihrer besten Freundin aus dem Internat fröhlich ausrief: »Amber! Ich glaub’s nicht, dass du das bist. Wie toll!«
Auf Ambers Vorschlag hin hatten sie sich in ihrem letzten Schuljahr darauf verständigt, einander nicht zu schreiben. Amber war davon ausgegangen, dass ihre Wege in ganz verschiedene Richtungen führen würden, und da sie wusste, wie konservativ Beth war, hatte sie ihre Schulfreundin nicht in Verlegenheit bringen wollen, indem sie an ihrer Freundschaft festhielt, wo sie sich gesellschaftlich so weit voneinander entfernen würden. Jetzt war die Sache natürlich anders – zumindest für den Augenblick, solange Amber sich in denselben gesellschaftlichen Kreisen bewegte wie ihre Schulfreundin.
Innerhalb weniger Sekunden wurde Amber entführt, um Beths Mutter vorgestellt zu werden, die sie mit so viel Herzenswärme begrüßte, dass Amber fast die Tränen kamen.
Die Countess of Levington war eine ältere und weltgewandtere Version ihrer Tochter. Sie hatten dieselben Züge und gute, reine englische Haut, doch Beths Haar war heller als das ihrer Mutter. Wenn Amber Beths Mutter anschaute, konnte sie ganz deutlich sehen, wie Beth später aussehen würde. Es war offensichtlich, dass die Gräfin eine liebevolle Mutter war.
Ein forsches Nicken bestätigte, dass sie sich sehr wohl daran erinnerte, dass Beth von Amber gesprochen hatte, ihrer Freundin aus dem Internat.
»Ihr Vater war, glaube ich, Russe?«, fragte sie Beth mit routinierter Ungezwungenheit.
»Was machst du hier?«, fragte Beth als Erstes, sobald sie allein waren. »Ich dachte, du wolltest auf die Kunstakademie gehen!«
»Wollte ich auch. Aber meine Großmutter hat es mir nicht erlaubt. Stattdessen bezahlt sie Louises Mutter dafür, dass sie mich bei Hofe vorstellt.«
So, sie hatte es gesagt, und sie hielt den Kopf hoch, obwohl sie sich innerlich vor dem fürchtete, was Beth denken mochte.
Zu ihrer Erleichterung war Beths einzige Bemerkung dazu voller Mitgefühl. »Es muss schrecklich für dich sein, bei Louise zu wohnen.«
Amber stieß einen tief empfundenen Seufzer aus. »Allerdings.«
Beth drückte ihren Arm. »Macht nichts. Ich bitte Mummy, dafür zu sorgen, dass wir zu denselben Anlässen eingeladen werden. Das Mädchenpensionat in Paris war schrecklich , viel schlimmer als unser Internat, und jetzt muss ich in der Vacani-Schule den Hofknicks lernen, und du weißt ja, wie unbeholfen ich bin.«
»Da waren wir schon«, sagte Amber. »Am Anfang war ich hoffnungslos.«
»Oh, ehrlich? Das ist viel besser, als es gleich beim ersten Mal gut hinzukriegen.«
Als Amber sie wenig überzeugt ansah, erklärte Beth
Weitere Kostenlose Bücher