Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
würde mir da gewiss zustimmen.«
Blanches Abscheu gegen das Kaufmannsgewerbe führte auch dazu, dass sie sich weigerte, an der Börse zu investieren. Ihr Reichtum bestand aus Bargeld – das im selben Banktresorraum aufbewahrt wurde wie das Geld der königlichen Familie.
»Hongkong?« Greg wollte schon Einwände erheben, erinnerte sich dann aber daran, dass er ein paar äußerst interessante Geschichten darüber gehört hatte, wie blendend sich die britische Gemeinde dort amüsierte. So langweilig wie Macclesfield konnte Hongkong gar nicht sein.
Greg fiel es leicht, Unangenehmes einfach abzuschütteln, solange er nicht dauernd daran erinnert wurde.
»Ich gehe davon aus, dass das alles war, was es über deine Affäre mit Caroline zu berichten gibt?«, fragte seine Großmutter.
Flüchtig dachte Greg an Carolines Behauptung, sie sei von ihm schwanger, und tat es dann ab. Wenn sie tatsächlich ein Kind bekam, wäre sie gut beraten zu behaupten, dass es von ihrem Gatten war. Und in dem Fall hatte er keinerlei Veranlassung, es seiner Großmutter gegenüber zu erwähnen.
Eigentlich, gratulierte er sich ein paar Stunden später, war er noch einmal glimpflich davongekommen, alles in allem betrachtet. Seine Großmutter mochte sich im Augenblick ein wenig frostig geben, aber sie würde sich schon wieder beruhigen. Und was seine Verbannung nach Hongkong anging, das war ein Klacks. Er würde sich dort einfach prächtig amüsieren.
»Dann zwingt Fitton Legh Blanche also dazu, ihren kostbaren Enkel nach Hongkong zu schicken. Was für ein Glück, dass Cassandra ihn erwischt hat, was? Allerdings hatte ich ihr auch geraten, ein Auge auf ihn zu haben, als sie erzählt hat, er komme in letzter Zeit immer dann, wenn Fitton Legh nicht da sei. Was da los war, war ja wohl genauso augenfällig wie die Nase in Cassandras Gesicht.«
Während Jay seinem Großvater zuhörte, wurde ihm klar, dass sich der alte Herr wie ein Schneekönig über Gregs Schande freute. Jay jedenfalls konnte sich nicht erinnern, wann er ihn zum letzten Mal so gut gelaunt erlebt hatte.
Offensichtlich hatte er ziemlich viel getrunken, denn die Karaffe auf dem Tisch war fast leer. Jay runzelte die Stirn, wusste er doch, dass sein Großvater seinen Alkoholkonsum aus gesundheitlichen Gründen mäßigen sollte.
Der Klatsch über die Affäre hatte sich natürlich verbreitet wie ein Lauffeuer. Jay war allerdings nicht überrascht, er hatte sich so etwas schon gedacht.
»Schade, dass du kein richtiger de Vries bist, Jay«, erklärte Barrant. »Wenn du deinem Onkel auch nur halbwegs das Wasser reichen könntest, hättest du die kleine Pickford dazu gebracht, sich in dich zu verlieben, dann hätten wir sie auch noch vernichten können.«
Jay hatte seinem Großvater im Lauf der Jahre schon die verschiedensten Gefühle entgegengebracht – Mitgefühl, Mitleid, Frustration, Liebe -, aber dies war das erste Mal, dass er Zorn und Verachtung empfand. Er konnte akzeptieren, dass sich sein Großvater über Gregs Ruin freute, weil es gleichzeitig Blanches Ruin bedeutete, aber bis jetzt war ihm nicht der leiseste Verdacht gekommen, dass Barrant sich absichtlich eingemischt und durch Cassandra Öl in die Flammen gegossen haben könnte. Jetzt jedoch, da sich die Zunge seines Großvaters von Triumph und Alkohol gelockert hatte, musste Jay widerwillig erkennen, dass sein Großvater noch manipulativer war, als er gedacht hatte.
»Wenn das deine Absicht ist, solltest du wohl lieber Cassandra darauf ansetzen. Im Gegensatz zu mir findet sie offenbar Geschmack daran, andere zu hintergehen«, erwiderte Jay grimmig und fügte für alle Fälle noch hinzu: »Ob das ein typischer Charakterzug der Familie de Vries ist, kannst du wohl besser beurteilen als ich, Großvater.«
Sollte sein Großvater diesen Kommentar doch auffassen, wie er wollte. Wenn Barrant bis jetzt nicht wusste, dass Cassandra ihrem eigenen Geschlecht zugeneigt war, wurde es vielleicht Zeit, dass er es herausfand. Schließlich hatte er, was die Schwachstellen anderer anging, keine Gnade gezeigt – warum sollte es ihm dann besser ergehen? Sein Vorschlag, was Amber anging, war ebenso undenkbar wie geschmacklos. Bei dem Gedanken, jemand könnte Amber schaden oder sie verletzen, fraß sich brennender Schmerz in Jays Brust. Er war froh, dass sie in London war und damit außerhalb der Reichweite seines Großvaters.
8
Frühling 1930
Amber war unglaublich glücklich. Sie hatte das Gefühl, ihr Glück platzte
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