Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
darüber freuen würde.
»Du bist ein de Vries, Jay, und ich stimme mit Großvater darin überein, dass es eine Schande ist, wie du dich von Blanche Pickford herumkommandieren lässt.«
»Ehrliche Arbeit ist keine Schande. Du solltest Großvater nicht auch noch ermutigen, an seiner Feindseligkeit gegen Blanche festzuhalten, Cassandra.«
»Dazu braucht er keinerlei Ermutigung. Er hasst sie.«
»So, wie du Greg Pickford hasst?«, meinte Jay trocken.
Cassandra stieg die Zornesröte ins Gesicht. Sie hatte ihre Gefühle noch nie verbergen können. Jay beobachtete sie.
»Caroline hat mich dazu getrieben. Das verstehst du nicht. Ich habe sie geliebt.«
Jetzt lagen in ihrer Stimme echte Gefühle, eine Mischung aus Schmerz und Bitterkeit, die, wie Jay glaubte, ihre wahren Gefühle für Caroline ausdrückten.
»Sie hat gesagt, dass sie mich liebt.« Cassandra schluchzte, und ihr Gesicht war rot gefleckt. »Sie hat gesagt, es geschähe ihm nur recht und es täte ihr leid, dass sie mich verletzt hätte. Mich hat sie geliebt, bis Greg Pickford zwischen uns getreten ist. Das musste ich ihr doch klarmachen, Jay.« Cassandras Stimme wurde härter. »Ich musste ihr klarmachen, wie viel sie mir zu verdanken hatte. Dafür musste sie mir noch bezahlen, und bestraft werden musste sie auch. Das verstehst du doch, oder? Caro hat es verstanden, nachdem ich es ihr erklärt habe. Schließlich hat sie mich verraten, und nicht nur mich, sondern auch unsere Liebe. Sie hat zugelassen, dass er sein Ding in sie steckt und seinen ekelhaften Samen in sie ergießt. Der musste doch wieder rausgeholt werden. Sie konnte unmöglich zulassen, dass er in ihr wächst und Frucht trägt. Das habe ich ihr gesagt, und sie hat versprochen zu tun, was ich ihr gesagt habe. Aber sie hat gelogen. Sie wollte mich austricksen, indem sie erst so getan hat, als wollte sie es wegmachen lassen, und dann hat sie gesagt, es wäre zu spät.«
Jay lauschte voller Abscheu. Ihm war tatsächlich früher schon der Verdacht gekommen, dass Cassandra leidenschaftlich in Caroline verliebt gewesen war, aber er hätte sich nie träumen lassen, dass seine Cousine so boshafte Pläne zu hegen in der Lage war wie die, die sie ihm gerade offenbarte.
»Ich wollte, dass sie mich am meisten liebt, das wusste sie«, fuhr Cassandra fort, ohne Jays Entsetzen zu bemerken. »Sie hat mir geschworen, dass Greg Pickford ihr überhaupt nichts bedeutet, und trotzdem hat sie sich geweigert, sein Kind loszuwerden. Für sie ist es besser, dass sie tot ist, Jay. Um ihretwillen. Sie hätte die Schande nicht ertragen.«
Besser für Caroline? Es war entsetzlich, aber Cassandra war ganz offensichtlich überzeugt davon. So sehr, dass sie Caroline bedroht und sich geweigert hatte, ihr zu helfen, und die arme Frau dadurch in den Tod getrieben hatte? Eine schreckliche Vorstellung, die er jedoch nicht von sich weisen konnte.
»Weißt du eigentlich, was du da sagst?«, fragte Jay. »Weißt du, was du getan hast? Ich glaube, dass du für Carolines Tod verantwortlich bist, grad so, als hättest du sie eigenhändig ins Wasser gestoßen und ihr beim Ertrinken zugesehen. Und du hast es aus Eifersucht getan, weil sie Greg dir vorgezogen hat. Sie hatte ihre Fehler, das leugne ich nicht, aber sie aus einem Gefühl der Kränkung heraus zu töten, nur weil sie deine Gefühle nicht erwidert hat …«
»Das sollst du nicht sagen. Sie hat mich geliebt, jawohl. Sie hat mir versprochen, das Kind wegmachen zu lassen, und dann könnten wir zusammen sein.«
Erbost stürzte sie sich auf ihn, ließ Faustschläge auf sein Gesicht herabregnen und versuchte ihm die Nägel in die Haut zu schlagen. Ihre Raserei verlieh ihr derartige Kräfte, dass Jay mehrere Augenblicke brauchte, ehe er sie abwehren konnte. Sie keuchte, und ihre Miene war verzerrt vor Zorn und Schmerz.
»Sie hat mich betrogen, weil sie dachte, ich liebte sie so sehr, dass ich nachgeben würde, aber da hat sie sich getäuscht. Das konnte ich nicht.«
»Du hast sie in den Tod getrieben«, beschuldigte Jay sie rundheraus.
»Nein. Das sollst du nicht sagen. Es stimmt nicht. Das wird dir noch leidtun, Jay, dass du das zu mir gesagt hast«, warnte sie ihn. »Dafür werde ich sorgen.«
Sie rannte an ihm vorbei, stieg auf das Rad, das unten an der Treppe lehnte, und fuhr wie von Sinnen die Auffahrt hinunter. Jay blieb angeekelt und entsetzt zurück.
Trotz ihrer Fehler hatte Caroline Fitton Legh es nicht verdient, dass sie auf diese Weise, wie er vermutete, von
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