Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
Leben führen können?«, hakte Amber ruhig nach. In ihrer Stimme lag keinerlei Leidenschaft, keine Hoffnung und keine Überzeugung, denn sie kannte die Antwort bereits.
»Ich kann nicht gehen, ehe sie gezahlt hat, was sie mir schuldig ist. Sie ist ein alter Drache, eine Hexe, sie quält mich und zwingt mich, nach ihrer Pfeife zu tanzen. Mon Dieu , du kannst dir nicht vorstellen, wie ich sie hasse. Aber ich liebe dich, meine süße Amber. Das schwöre ich. Ich liebe dich.«
Sie ging den Weg zurück, den sie gekommen war.
Lord Robert stand vor ihr auf dem Pfad, beobachtete sie, wartete auf sie, wie sie erkannte, und dann brach sie zusammen, und er schloss sie in die Arme und hielt sie fest.
»Es tut mir leid, furchtbar leid«, sagte er. »Ich hätte dir das gerne erspart. Schließlich weiß ich sehr gut, wie sehr die Liebe wehtun und verletzen kann.«
»Ich muss zurück ins Haus.«
»Noch nicht. Ich möchte etwas mit dir besprechen – ich habe dir einen Vorschlag zu machen.«
Er hatte ihren Arm durch den seinen gezogen, sodass Amber nichts anderes übrig blieb, als neben ihm herzugehen.
»Ich möchte, dass du mich heiratest, Amber.«
22
»Dich heiraten? Das verstehe ich nicht.Warum solltest du wollen, dass ich dich heirate? Du liebst mich nicht, es gibt keinen Grund …«
»Doch, es gibt einen Grund. Schau, ich muss vor meinem dreißigsten Geburtstag heiraten, wenn ich das Vermögen erben will, das mein Großvater mütterlicherseits mir hinterlassen hat. Und was die Liebe angeht, so stimmt es natürlich, dass meine Veranlagung ausschließt, dass ich eine Frau körperlich liebe, doch mir liegt sehr viel an dir, Amber. Ich gebe zu, dass es mich in letzter Zeit sehr beschäftigt hat, wie ich mein Erbe sichern kann, doch der Gedanke, dass die Lösung die sein könnte, dass wir beide heiraten, ist mir erst gestern Abend gekommen. Aber je länger ich darüber nachdenke, desto deutlicher erkenne ich, wie vernünftig diese Lösung wäre. Ich brauche eine Frau, um mein Erbe zu erhalten, und du brauchst einen adeligen Ehemann, um deine Großmutter zufriedenzustellen und deinen guten Ruf zu schützen.«
Amber zitterte innerlich. Lord Roberts Bemerkung über ihren Ruf hatte ihr bewusst gemacht, in welcher Gefahr sie schwebte. Sie musste nur an Beths Bemerkung über Louise und an Caroline Fitton Leghs Tod denken, um zu wissen, welches Schicksal sie erwartete, wenn ihre Beziehung mit Jean-Philippe bekannt würde.
Doch ihre Ehrlichkeit zwang sie, mit bebender Stimme zu sagen: »Aber du könntest jede heiraten.«
»Nein, Amber, das könnte ich nicht. Es gibt sicher Männer meiner Art, die heiraten und, wenn auch zögernd, ihren ehelichen Pflichten nachkommen, doch mir wäre das ein Gräuel. Ich will ganz offen zu dir sein. Wenngleich ich dich mag und bewundere und als Freundin auch liebe, werde ich dir nie ein richtiger Ehemann sein können. Da du bereits um die Natur meines Begehrens weißt, kann ich dies zu dir sagen, und da ich auch weiß, dass du dein Herz bereits einem anderen geschenkt hast, kann ich sicher sein, dass nicht die Gefahr besteht, dass du dich in mich verliebst.
Ich weiß, wie du dich fühlst, glaub mir. Ich habe das auch schon durchgemacht und musste mich dem Schmerz stellen, dem du dich jetzt stellen musst, und dem Gefühl, dass das Leben vorbei ist und nicht länger lohnt, gelebt zu werden. Im Moment kannst dir nicht vorstellen, dass irgendetwas schlimmer sein könnte als deine gegenwärtige Verzweiflung, aber es ist möglich, Amber. Hast du dir schon einmal vor Augen geführt, welches Schicksal dich erwartet, wenn deine Affäre mit Jean-Philippe Folgen hat? Wenn du feststellst, dass du ein Kind erwartest?«
Amber spürte, wie ihr sämtliches Blut aus dem Gesicht wich.
»Wir können uns keine Verzögerung erlauben. Wir müssen so schnell wie möglich heiraten.«
»Du kannst mich unmöglich heiraten wollen in dem Wissen, ich könnte ein Kind von Jean-Phi lippe erwarten.«
»Doch, das versichere ich dir.«
»Aber wenn ich ein Kind bekomme und es wird ein Junge …?«
»Dann hätte ich für einen Erben gesorgt und wäre sehr stolz darauf. Besonders mein Großvater wird entzückt sein, falls sich herausstellt, dass du ein Kind erwartest.«
Bis Lord Robert das Schreckgespenst einer potenziellen Schwangerschaft heraufbeschworen hatte, hatte Amber seinem Heiratsantrag wenig Interesse entgegengebracht. Sie hatte nur gedacht, er könne sie unmöglich heiraten wollen. Doch jetzt war zu der
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