Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
erklärte, dass er alles dafür tun werde, Amber in ihrer Ehe sehr glücklich zu machen.
Doch eines hatte er versäumt: Lord Robert hatte sie nicht gebeten, bei ihrer Hochzeit dabei zu sein.
»Wir sind uns darin einig, dass wir so schnell und so leise wie nur möglich Mann und Frau werden sollten«, hatte er geschrieben, »ohne großes Aufsehen und, noch wichtiger, ohne weitere Verzögerung.«
Es gab nur einen Grund, in solcher Hast zu heiraten: Entweder wussten sie, dass Amber ein Kind erwartete, oder sie befürchteten es.
Blanche hoffte auf Letzteres. Sie konnte ihnen auf keinen Fall schreiben und sie fragen, und wenn sie recht hatte und sie bereits ein Liebespaar waren, dann war es – um Ambers willen – desto besser, je eher sie heirateten.
Es mochte Blanches Stolz verletzen, dass sie nicht gebeten worden war, zur Heirat nach Paris zu reisen, doch sie hatte nicht die Absicht, das irgendjemanden wissen zu lassen.
Sie nahm Ambers Brief, öffnete ihn und las ihn rasch.
Nachdem sie ihrer Großmutter mitgeteilt hatte, dass sie heiraten würde, und sie gebeten hatte, wegen der praktischen Details Lord Roberts Brief zu lesen, fuhr Amber fort:
Ich hoffe, Du verzeihst uns die Eile, mit der alles vonstattengehen muss. Wenn Du ihn kennenlernst, wirst du ihn in unserer Familie willkommen heißen und genauso glücklich sein über meine Heirat wie ich. Ich liebe und respektiere Robert, und ich habe jedes Vertrauen in unsere gemeinsame Zukunft. Mit Roberts Titel habe ich Deine Erwartungen und Wünsche für mich hoffentlich erfüllt.
Da ihre Enkeltochter letztendlich Herzogin werden würde, konnte Blanche nicht leugnen, dass sie das getan hatte.
Sie stand von ihrem Schreibtisch auf und ging zum Fenster. Vor ihrem geistigen Auge sah sie sich selbst mit siebzehn, bis über beide Ohren verliebt in Barrant de Vries. Was für einen Brief sie wohl an ihren Vater geschrieben hätte, wenn Barrant darauf bestanden hätte, sie so überstürzt zu heiraten? Keinen so gefassten und geschäftsmäßigen.
Doch Barrant so leidenschaftlich zu lieben hatte ihr kein Glück gebracht, sondern nur Schmerz, ermahnte sich Blanche. Sie hatte getan, was sie für Amber für das Beste hielt, um ihr die Erfahrung eines solchen Schmerzes zu ersparen.
Sie schaute zur Tür ihres Arbeitszimmers. Jay würde bald kommen. Der alte Jagdhund war in der Nacht gestorben, und Jay hatte ihn mitgenommen, um ihn auf dem Haustierfriedhof von Denham Place zu begraben. Dort waren Steine, auf denen die Namen von Hunden, Pferden und sogar von einem Papagei standen, die im Besitz derer gewesen waren, die im Laufe der Generationen in Denham Place gelebt hatten. In letzter Zeit hatte Blanche sich öfter an Jay gewandt, wenn sie bestimmte Dinge besprechen wollte. Nicht, weil sie seinen Rat suchte – Blanche würde sich niemals in eine Position bringen, wo sie den Rat eines anderen brauchte -, sondern weil er einen gesunden, schlauen Kopf auf den Schultern trug, was mehr war, als man von Greg behaupten konnte, und mehr auch, als sie bei einem de Vries erwartet hätte. Jay kam offensichtlich nach der väterlichen Seite der Familie.
Es stimmte, dass Blanche Jay ursprünglich eingestellt hatte, um Barrant zu verhöhnen, doch mit seinem Fleiß und seinem ruhigen, kenntnisreichen Selbstvertrauen hatte er ihren Respekt gewonnen, so wie er gerade dabei war, ihr Vertrauen zu gewinnen.
Sie wollte ihn eben suchen gehen, da fiel ihr ein, dass sie Gregs Brief noch nicht gelesen hatte.
Er war langatmig und abschweifend, voller Beschwerden über Henry Jardine und Lobesreden über »meinen guten Freund Lionel Shepton«.
Er langweile sich in Hongkong, schrieb Greg. Er wolle Shanghai besuchen, doch sei er knapp bei Kasse. Er habe seinem Freund, dessen Geldanweisung nicht wie angenommen gekommen war, etwas geliehen, und jetzt brauche Greg selbst unbedingt Geld. Würde seine Großmutter ihm bitte welches schicken? Blanche seufzte. Ihre Pläne für Amber mochten sich zufriedenstellend entwickeln, doch bei Greg lag die Sache vollkommen anders.
Jay stützte sich auf seinen Spaten. Es würde ein heißer Tag werden, die Sonne vertrieb schon den leichten Nebel, der im Tal unterhalb von Denham Place lag, und er spürte ihre warmen Strahlen.
Er war in der Nacht mit dem Gefühl aufgewacht, nach dem Hund sehen zu müssen, ohne zu wissen, warum. Der Hund hatte auf ihn gewartet, hatte den Kopf gehoben und ihn mit Augen, die fast blind waren, angesehen und noch ein letztes Mal mit dem
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