Der Glanz der Welt
aufgezogen, immer neue Anleger hielten das Werkel am Laufen, denn mit deren frischem Geld zahlte er Altanlegern Gewinne aus, die nie gemacht worden waren. Dass so etwas nicht ewig funktionieren kann, leuchtet ein, weil man immer größere Mengen neuer Anleger braucht, und die findet man eines Tages nicht mehr. Also ging die Werk-Bank schon einige Monate vor den Wahlen, also zu früh, hoch. Alles Weitere war so abgelaufen, wie ich es in meinem Kommentar beschrieben hatte. Schmock war freigesprochen worden, nur der Bankchef selbst bekam die Höchststrafe, und alle rundherum wurden befördert: die Richterin, der Staatsanwalt, die Leute von der Bankenaufsicht. Und Grapschmann hatte sich mitsamt ein paar Millionen Schmiergeld aus dem Amt und aus dem Staub gemacht. Aufgeklärt wurde die Sache nie, und die Strafe saß der Exbankchef ab, der nicht rechtzeitig bemerkt hatte, dass er nicht der Spielmacher war, sondern derjenige, den man reinlegte und als Sündenbock brauchte.
„Ich verspreche dir“, sagte ich zu Chiara, „wir holen diese Rundfahrt auf eine andere Art nach. Mit einem offenen Cabrio-Taxi vielleicht oder so. Dann erkläre ich dir auch die Sehenswürdigkeiten. Aber das hier ist wichtig.“
„Habe ich schon bemerkt“, sagte Chiara, „mach dir keine Sorgen.“
Leider halfen mir diese Informationen nicht wirklich weiter. Das war alles aus Geheimakten, die man nirgendwo vorlegen konnte, schon weil man sie nicht besaß. Nur die Originalakten, sozusagen mit Brief und Siegel einesamerikanischen Geheimdienstes versehen, die hätten uns weitergebracht. Aber so blieb alles im Bereich der unbelegten Behauptung. Damit konnte man die Grapschmann-Bande nicht aushebeln, das reichte nicht einmal für eine Einladung auf einen Cappuccino in der nächsten Wachstube. Es waren sehr widersprüchliche Empfindungen, die mich in diesen Augenblicken durchströmten.
„Weißt du“, sagte ich, „einerseits ein tolles Gefühl, dass meine Vermutungen und der Pirchmoser mit seiner Komplott-Theorie bestätigt worden sind. Und gleichzeitig fühle ich mich verscheißert, wie ein Esel, dem sie vor der Nase die berühmte Karotte hingehängt haben, die er nie erreichen kann und wird. Wir wissen, die wissen, alle wissen. Und nichts geschieht.“
„Wie bei uns in Italien“, sagte Chiara.
„Na wunderbar“, sagte ich, „nichts gegen dein Heimatland, aber italienische Zustände, noch dazu in der Justiz, das ist das Letzte, was ich mir wünsche.“
„Ich mag auch keine italienischen Zustände“, sagte Chiara, „ich geniere mich für mein Land, für seine Regierung, für Berlusconi. Aber weißt du, meine Landsleute werden alle paar Jahrzehnte verrückt im Kopf. Mal der Mussolini, dann der Berlusconi. Das sind Männer, wie einer Opera buffa entstiegen. Die komische Oper ist fürs Volk erfunden worden, die Handlung ist immer dem richtigen Leben abgeschaut. Die Leute können oder wollen das dann nicht mehr auseinanderhalten. Ist kein Zufall, dass der Berlusconi auch singt.“
„Wenigstens das hat der Grapschmann uns zumindest bis heute erspart. Singen hat man ihn noch nie gehört“, sagte ich, „und er singt auch nicht bei den Einvernahmen. Da ist er ein ganz stummes Vogerl.“
Wir waren gerade Am Hof vorbeigefahren, nach dem Heidenschuss und unmittelbar vor der Freyung links in die Strauchgasse hinein, bogen dann beim legendären Café Central, inzwischen nicht mehr so legendär, sondern mehr ein Mekka der Touristen, links ab in die Herrengasse Richtung Michaelerplatz. Pferde mit Pooh-Bags sehen übrigens bescheuert aus. Abgesehen davon, dass es eine Tierquälerei ist, wenn ihre Apferln nicht frei zu Boden fallen dürfen. Von wegen Gestank. Autos stinken viel mehr. Und die Grapschmann-Bande sowieso. Ein neuer Kommentar musste her. Ein deutlicher, ein unmissverständlicher Kommentar. Es musste Schluss sein mit den verschlüsselten, verklausulierten Andeutungen, mit den Gleichnissen. Klartext war das Gebot der Stunde. Du würdest also anrufen. In der üblichen Reihenfolge. Erst den Schefredaktör, dann den Kardinal, weil Ersterer sich wie üblich sträuben würde. Außerdem war es eine Art Ritual. Für Rituale hatten alle was über: die gläubigen Katholiken ebenso wie die ungläubigen.
Ich wählte den Schefredaktör an. Wie gut, dass es die Rufnummernunterdrückung gibt. Er würde fluchen und abheben, ein kurzes und böses „Ja“ in sein Handy bellen.
„Ich bin’s, dein Lieblingscommentatore“ – das erwähnte ich immer. Es
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