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Der Glanz der Welt

Der Glanz der Welt

Titel: Der Glanz der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Amon
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keinen Ihaha-Leberkäs essen können. Das hatte man vom Fiakerfahren.

9. KAPITEL | Ein Mord kommt selten allein
    Das Handy schrillte laut und unüberhörbar. Eben noch hast du dich über ein totes Fiakerpferd gebeugt, von der Leberkässemmel, reines Rindfleisch, abgebissen, der arme Gaul. Das Handyschrillen kam immer näher, wurde immer lauter. Der Polizist zog seine Pistole und erschoss das Pferd. Dann blies er den Rauch weg, der sich aus der Mündung kräuselte, bestieg das zweite, noch lebende Fiakerpferd und ritt langsam davon. Er hatte dir noch seine Visitenkarte in die Hand gedrückt. „John Wayne“ stand groß drauf – und ein wenig kleiner „Kieberer, 1010 Wien, Jasomirgottstraße 8“. Langhaarige, dunkle Italienerinnen, große Locken, hunderte Chiaras, bewarfen einen Fiakerfahrer mit Pizza. Der trug einen Vollbart für Islamophobe. Aufwachen! Dunkelheit, deine Hand sucht tastend das Handy. Du spürst etwas, fühlt sich weich, sehr weich, sehr warm an. Wo bist du? Wie war das gewesen, gestern Nachmittag und Abend? Wo bist du? Das Handy lärmt weiter. Du hörst eine Stimme, weiblich. Deine Hand hat etwas gefunden, aber nicht das Handy; sie liegt auf einer Brust, die weibliche Stimme flüstert etwas, ziemlich italienisch. Du kannst noch immer kein Italienisch. Du tastest weiter. Ein Handy, das atmet und mit weiblicher Stimme etwas auf Italienisch flüsterte? Nein, das gab es nicht. War noch nicht erfunden. Oder doch – und lag neben dir im Bett? Wenn es nur nicht so verdammt dunkel wäre. Deine rechte Hand hat etwas ertastet, was sich nach einem Bauchnabel anfühlt, sie ruht auf der Kuhle, die sich im Rhythmus langsamer Atemzügehebt und senkt. Die linke Hand beginnt tastend auf der anderen Bettseite zu suchen. Das Handy scheint immer lauter zu werden. Es vibriert, die linke Hand findet das Nachtkästchen, das mit dem Handy mitvibriert. Das Handy. Da ist es. Irgendwie bekommt die Hand es zu fassen, du führst es an dein Ohr.
    „Hallo“, krächzte ich müde, nachdem es mir irgendwie gelungen war, die Taste mit dem aufgedruckten grünen Hörer zu drücken.
    „Himmel, wenn du dich noch an mich erinnerst.“
    War da nicht etwas mit blauem Himmel gewesen? Dem Himmel, den es nicht gab? Alles Schwindel, alles Illusion?
    „Ich glaube nicht an den Himmel“, sagte ich.
    „Jetzt reiß die Augen auf und die Ohren. Ich bin es. Himmel! Ägidius! La sensazione! Das Blatt! Kapischo!?“ Er hatte bemerkt, dass ich nicht wirklich wach war. Allerdings war das nicht schwer zu erkennen. Eigentlich sogar logisch, um fünf Uhr morgens, draußen dunkel und kalt. Da ging man als anständiger Mensch entweder gerade ins Bett, hatte seinen Schlummer eben erst begonnen, oder man schnarchte gerade durch eine Tiefschlafphase. Um diese Zeit rief ein anständiger Mensch einen anderen anständigen Menschen nicht an.
    Während die eine Hand noch immer auf einem warmen Frauenkörper ruhte, drückte die andere das Handy fest gegen das Ohr.
    „Frauenkörper! Verdammt!“, durchzuckte es mich. Ich wachte langsam richtig auf, und meine Erinnerung kehrte zurück. Chiara. So ein Mist. Ich wollte sie weder aufwecken noch jetzt abhauen, ohne ihr was sagen zu können. Denn wenn Himmel, jener Himmel, den es im Gegensatz zum von der Bibel versprochenen wirklich gab, wenn dieser Himmelum diese Zeit anrief, dann war das wichtig. Dann hieß es tatsächlich: raus aus dem Bett.
    „Kapischo!“, sagte ich mit noch immer schwacher Stimme. „Was ist los? Weltuntergang?“
    „Nein, auch wenn es sich für dich vielleicht so anfühlt. Hast du schon geschlafen?“
    „Ja“, sagte ich, „verzeih mir noch ein einziges Mal, ich werde es nie wieder tun.“
    „Depp“, sagte Himmel, „komm sofort in die Himmelpfortgasse, Stadtpalais Prinz Eugen.“
    „Dort, wo das Finanzministerium drin war, bis der kulturlose Grapschmann es in diesen hässlichen Bau im dritten Bezirk übersiedelt hat?“
    „Sehr gut, genau dorthin“, sagte Himmel, „aber angeblich zieht das Ministerium nach dem Umbau wieder im Palais ein.“
    „Glaube ich nicht. Aber egal. Was mache ich dort?“ 5 Uhr morgens war nun wirklich nicht die richtige Zeit, um aufzustehen und in die Himmelpfortgasse zu eilen. Was interessierte mich dieser Barockbau eines Prinzen, der mit zu vielen Kriegen zu viel Geld verdient hatte.
    „Stell dich nicht so an, komm lieber schnell her. Es gibt wieder eine Leiche. Der Pirchmoser ist auch schon auf dem Weg.“ Himmel legte auf, ich konnte nichts mehr

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