Der Glanz der Welt
bösen Tat geschritten war, oder?“
„Ja“, sagte Pirchmoser, „sieht ganz so aus. Und außerdem ist das sicher jemand aus der Schauspieler-Runde, denn da hängt wieder so ein Anschlag aus Pergamentpapier beim Eingang.“
Das war mir noch gar nicht aufgefallen, ich hatte nur das Arrangement auf dem Boden im Auge gehabt. Es war ein ziemlich langes Textstück, sehr klein geschrieben, aber wieder – wie beim letzten Mord – in dieser alten Haar- und Schattenschrift und mit Tinte und Feder. Ich las laut vor, was auf der Pergamentrolle stand:
Amalia: Ich will ja nicht Liebe mehr. Tod ist meine Bitte nur. Dir ist’s ja so leicht, so leicht, bist ja Meister im Morden, zeuch dein Schwert, und ich bin glücklich!
R. Moor: Willst du allein glücklich sein? Fort, ich tödte kein Weib!
Amalia: Ha, Würger! Du kannst nur die Glücklichen tödten, die Lebenssatten gehst du vorüber. (Kriecht zu den Räubern.) So erbarmet euch meiner, ihr Schüler des Henkers!
R. Moor: Weib, was sagst du? (Die Räuber wenden sich ab.)
Amalia. Kein Freund? Auch unter diesen nicht ein Freund? (Sie steht auf.) Nun denn, so lehre mich Dido sterben! (Sie will gehen, ein Räuber zielt.)
R. Moor: Halt! Wag’ es. Moors Geliebte soll nur durch Moor sterben! (Er ermordet sie.)
Die Räuber: Hauptmann! Hauptmann! Was machst du? Bist du wahnsinnig geworden?
R. Moor (auf den Leichnam mit starrem Blick): Sie ist getroffen! Dies Zucken noch, und dann wird’s vorbei sein. Ich hab’ euch einen Engel geschlachtet. Wie, seht doch recht her! Seid ihr nunmehr zufrieden?
„Starker Tobak“, sagte ich, „klingt nach Schillers ,Räubern‘. Ist aber schon lange her, dass ich das in der Schule gelesen und am Theater gesehen habe. Jede Wette“, sagte ich zu Pirchmoser, „dass das Opfer eine Frau ist.“
Pirchmoser trat zur Leiche und nahm die Maske ab. Es war Luzia Winter, genannt Lacrimosa.
„Da hat das Schicksal seinen Hobel aber verdammt akkurat angesetzt“, sagte Pirchmoser, „die singt nichts mehr.“
„Schon wieder jemand aus diesem merkwürdigen Verein, eine Schauspielerin, wieder ein Text aus einem klassischen Stück und als Szene nachgestellt. Jetzt haben wir drei Tote aus demselben Verein und zwei nach demselben Schema aufgebaute Tatorte und Mordtaten. Faust und Gift, Räuber und Messer, wie in den jeweiligen Stücken. Nur der Bein passt nicht dazu“, sagte ich.
„Vielleicht ist beim Bein etwas schiefgegangen“, sagte Himmel, „sind vielleicht gestört worden.“
„Das glaube ich nicht“, sagte ich, „die haben dir schon vorher eine Fotomontage mit dem Tatort geschickt. Undgenauso war es dann auch. Und da gibt es keinen Hinweis auf ein Theaterstück, keinen Text. Ich kenne auch kein Stück, wo jemand umgebracht wird, indem man ihn vom Stephansdom runterstößt. Ich bleibe dabei, der Bein fällt aus dem Rahmen.“
„Ich weiß nicht“, sagte Pirchmoser, „aber das hier ist das ehemalige Finanzministerium, Grapschmann ist ehemaliger Finanzminister, der Bein war ehemals Pressesprecher vom Grapschmann. Das hätte schon eine Logik, also ich sehe da einen Zusammenhang. Für mich hat das irgendwas mit der Grapschmann-Bande zu tun, mit dem Schnittling seinen Machenschaften. Die Theatertheorie glaube ich nicht.“
„Die musst du aber glauben“, sagte ich, „Befehl ist Befehl.“
„Die können mich bucklfünferln“, sagte Pirchmoser, „für mich ist das ein Grapschmann-Mord. Ich weiß nicht, warum diese Morde geschehen, wozu sie gut sind, aber eines weiß ich: Das alles hat nichts mit dem Theater zu tun. Das ist nur Tarnung.“
„Mag sein“, sagte ich, „aber du hast keine Antwort auf die Frage, warum der Bein dann auf andere Art umgebracht worden ist.“
„Ich habe auf viele Fragen keine Antwort“, sagte Pirchmoser, „aber ich weiß, was mir mein Bauch sagt. Und schon die Tatsache, dass mir das Ministerium verbietet, in Richtung Grapschmann oder Schnittling zu recherchieren, ist für mich der Beweis, dass das die richtige Spur ist.“
„Na ja“, sagte ich und drehte mich zu Himmel, „du hast wenigstens deine Schlagzeile. Der Pirchmoser wird nicht arbeitslos, und ich gehe jetzt wieder zurück ins Bett und denke nach, wie ich das alles unter einen Hut bekomme. Außerdemmuss ich meinen Kommentar schreiben. Vielleicht werden sie endlich nervös.“
Pirchmoser nickte: „Schreib nur. Irgendwann verlieren die sicher die Nerven und machen einen Fehler. Vielleicht haben sie schon einen gemacht, und wir sehen ihn bloß
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