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Der Glanz des Mondes

Der Glanz des Mondes

Titel: Der Glanz des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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respektvoll. Ich hoffte, dass ich meine Männer und Hiroshi gerettet hatte, indem ich mich ergab, rechnete jedoch nicht damit, dass man mein eigenes Leben schonen würde. Ich war dankbar, dass Arai mich wie einen Otorilord behandeln ließ, wie jemanden seines Standes, und mich nicht demütigte, doch ich ging davon aus, dass er mich entweder hinrichten lassen würde oder mir befahl, mich selbst zu töten. Trotz der Lehren meiner Kindheit, Jo-Ans Worten und dem Versprechen, das ich Kaede gegeben hatte, würde ich nichts anderes tun können als zu gehorchen.
    Der Taifun hatte die Luft von jeglicher Schwüle befreit und es war ein klarer, heller Morgen. Meine Gedanken waren ebenso klar: Arai hatte mich besiegt; ich hatte mich ergeben. Ich würde mich ihm unterwerfen und gehorchen, tun, was immer er von mir verlangte. Ich begann zu begreifen, warum die Krieger ihren strengen Kodex so rühmten. Er erleichterte das Leben ungemein.
    Die Worte der Prophezeiung gingen mir wieder durch den Kopf, doch ich schob sie beiseite. Nichts sollte mich von dem Weg ablenken, der für mich das Richtige war. Ich warf einen kurzen Blick zu Hiroshi hinüber, der an meiner Seite ritt, die Schultern gestrafft, erhobenen Hauptes. Sein altes Pferd trottete ruhig dahin, schnaubte ab und an, genoss die wärmende Sonne. Ich dachte an die Erziehung, die den Mut zur zweiten Natur des Jungen gemacht hatte. Er wusste instinktiv, sich mit Würde zu benehmen, obwohl es mir Leid tat, dass er schon in so jungen Jahren die Erfahrung machen musste, sich zu ergeben und zu unterliegen.
    Überall ringsum zeigten sich die Anzeichen der Zerstörung durch den Taifun, der die Küste entlanggefegt war. Abgedeckte Hausdächer, entwurzelte Baumriesen, flach gedrückte Reispflanzen und über die Ufer getretene Flüsse, in denen ertrunkene Ochsen, Hunde und andere Tiere trieben und sich in den Trümmern verkeilten. Für einen Moment machte ich mir Sorgen um meine Bauern in Maruyama und fragte mich, ob die Dämme, die wir gebaut hatten, wohl stark genug gewesen waren, ihre Felder zu schützen, und was nun wohl aus ihnen werden würde, wenn Kaede und ich nicht mehr da wären, um ihnen Schutz zu bieten. Wem würde die Domäne nun gehören und wer würde sich um sie kümmern? Nur einen kurzen Sommer lang hatte ich sie besessen, doch ihr Verlust bereitete mir Kummer. Ich hatte meine ganze Energie darauf verwendet, sie wieder aufzubauen. Zweifellos würden die Stammesleute zurückkehren und sich an jenen rächen, die ihren Platz eingenommen hatten. Sie würden ihr grausames Gewerbe wieder aufnehmen und außer mir war niemand in der Lage, sie daran zu hindern.
    Als wir uns der kleinen Stadt Shuho näherten, waren Arais Männer zu sehen, die überall Proviant zusammentrugen. Für die Bewohner dieses Landstrichs mussten diese Massen an Männern und Pferden eine enorme zusätzliche Belastung sein. Die Menschen würden ihre gesamte bisherige Ernte verlieren und den Rest hatte wahrscheinlich der Sturm zerstört. Ich hoffte, dass sie geheime Felder und versteckte Vorratslager besaßen; andernfalls stand ihnen mit Beginn des Winters der Hungertod bevor.
    Shuho war berühmt für seine zahlreichen kalten Quellen, die einen tiefblauen See speisten. Sein Wasser galt als Heilmittel und war der Glücksgöttin geweiht. Vielleicht war dies der Grund für die gute Atmosphäre, die der Ort ausstrahlte, trotz der Truppeninvasion und all der Zerstörung durch den Sturm. Der strahlende Tag schien die Rückkehr des Glücks zu versprechen. Die Stadtbewohner waren bereits mit Reparaturen und dem Wiederaufbau beschäftigt, riefen einander Scherze zu, sangen sogar. Das Klopfen der Hämmer, das Raspeln der Sägen schufen ein lebhaftes Lied gegen das Rauschen der Flüsse, die überall Hochwasser führten.
    Wir ritten die Hauptstraße entlang, als ich aus dem Wirrwarr an Geräuschen zu meiner Überraschung plötzlich jemanden meinen Namen rufen hörte:
    »Takeo! Lord Otori!«
    Die Stimme schien mir vertraut, obwohl ich sie nicht gleich einzuordnen wusste. Doch der süßliche Geruch nach frisch geschlagenem Holz half meinem Gedächtnis auf die Sprünge: Es war Shiro, der Zimmermannsmeister aus Hagi, der für Shigeru das Teezimmer und den Nachtigallenboden gebaut hatte.
    Ich drehte mich in die Richtung, aus der sie gekommen war, und sah ihn von einem der Dächer winken. »Lord Otori!«, rief er wieder und allmählich verstummte das Lied der Stadt, während die Männer einer nach dem anderen ihr Werkzeug

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