Der Glanz des Mondes
weitergereicht. Takeo besitzt es, weil Yuki es ihm in Inuyama übergab. Und wegen ihres damaligen Ungehorsams begannen die Kikuta ihr schließlich zu misstrauen.«
»Was für seltsame Wege das Schicksal doch geht«, murmelte Shizuka.
»Ja, zwischen uns allen existieren Bande, gegen die ich nicht ankämpfen kann. Vor allem, weil Jato durch meine Tochter Takeo auserwählte, habe ich das Gefühl, ihn unterstützen zu müssen. Außerdem kann ich dadurch mein Versprechen halten, ihm niemals etwas zu Leide zu tun, und vielleicht ist es ja auch eine Wiedergutmachung meiner Mitschuld an Shigerus Tod.« Er machte eine Pause und fuhr leise fort: »Damals, als Takeo und ich in jener Nacht nicht zu Shigeru zurückkehrten, habe ich seinen Gesichtsausdruck nicht gesehen, aber es ist genau der, den er jedes Mal hat, wenn er mich in meinen Träumen heimsucht.«
Sie schwiegen beide eine Weile. Urplötzlich erhellte ein Blitz den Raum und Shizuka hörte das Grollen des Donners in den Bergen. Kenji fuhr fort: »Ich hoffe, dass dein Kikutablut dich nun nicht dazu bringen wird, dich von uns abzuwenden.«
»Nein, deine Entscheidung erleichtert mich, weil sie bedeutet, dass ich Kaede die Treue halten kann. Es tut mir Leid, aber ich hätte niemals etwas getan, was den beiden schaden könnte.«
Ihr Geständnis brachte ihn zum Lächeln. »Das habe ich mir von Anfang an gedacht. Nicht nur wegen deiner Zuneigung zu Kaede - ich weiß auch, wie stark deine Gefühle für Shigeru und Lady Maruyama waren und welche Rolle du bei dem Bündnis mit Arai gespielt hast.« Kenji blickte sie prüfend an. »Shizuka, du schienst nicht wirklich überrascht zu sein, als ich dir von den Aufzeichnungen Shigerus berichtete. Ich habe mich gefragt, wer wohl sein Informant beim Stamm gewesen sein könnte.«
Sie begann unwillkürlich zu zittern. Ihr Ungehorsam - genauer gesagt, Verrat - stand kurz davor, entdeckt zu werden. Nicht auszudenken, was der Stamm dann mit ihr tun würde.
»Du warst es, nicht wahr?«, fuhr er fort.
»Onkel…«, begann sie.
»Hab keine Angst«, sagte er schnell. »Ich werde mit keiner Menschenseele darüber sprechen. Ich wüsste nur gern, warum.«
»Es war nach Yaegahara«, sagte sie. »Wie du weißt, überbrachte ich Iida die Nachricht, dass Shigeru ein Bündnis mit den Seishuu wünschte. Shigeru vertraute sich Arai an und ich gab die Information weiter. Wegen mir trugen die Tohan den Sieg davon, wegen mir starben zehntausend auf dem Schlachtfeld und zahllose andere später an Hunger und Folter. In den Jahren, die folgten, behielt ich Shigeru im Auge und war fasziniert von seiner Geduld und Stärke. Er schien mir der einzige gute Mensch zu sein, dem ich je begegnet war, und ich hatte entscheidend zu seinem Sturz beigetragen. Also beschloss ich ihm zu helfen, als Wiedergutmachung. Er fragte mich viele Dinge über den Stamm und ich antwortete, so gut ich konnte. Es war nicht schwer, es zu verheimlichen - das hatte man mir schließlich beigebracht.« Sie hielt inne und fügte hinzu: »Ich fürchte, dass du sehr wütend sein wirst.«
Er schüttelte den Kopf. »Das sollte ich wohl. Wenn ich es zu einem früheren Zeitpunkt erfahren hätte, wäre mir nichts anderes übrig geblieben, als dich bestrafen und töten zu lassen.« Er blickte sie voller Bewunderung an. »Wirklich, du besitzt die typische Kikutagabe der Unerschrockenheit. Im Grunde bin ich froh, dass du es getan hast. Du hast Shigeru geholfen und nun schützt dieses Vermächtnis Takeo. Vielleicht sühnt es sogar meinen eigenen Verrat.«
»Wirst du Takeo aufsuchen?«, fragte sie.
»Ich hatte auf ein wenig mehr neue Informationen gehofft - Kondo müsste bald zurück sein. Falls nicht, ja, dann werde ich nach Maruyama reisen.«
»Schicke einen Boten, schicke mich. Es ist zu gefährlich, wenn du selbst gehst. Und wird Takeo überhaupt irgendjemandem vom Stamm trauen?«
»Vielleicht reisen wir zusammen. Und wir werden deine Söhne mitnehmen.«
Sie starrte ihn an. Ein Moskito sirrte an ihrem Haar, doch sie verscheuchte ihn nicht.
»Sie werden für uns bei ihm bürgen«, sagte Kenji leise.
Wieder blitzte es; das Donnergrollen war näher gekommen. Plötzlich begann es in Strömen zu gießen. Das Wasser floss die Dachtraufen hinab und aus dem Garten drang der Geruch von nasser Erde zu ihnen herein.
Drei oder vier Tage lang peitschte der Sturm das Dorf. Noch ehe Kondo zurückkehrte, erreichte sie eine andere Nachricht, von einem Mutomädchen, das in Lord Fujiwaras Residenz im
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