Der Glanz des Mondes
akzeptiert. Ich war entschlossener denn je, diesen Frieden zu schaffen, damit sein Blut, das ich vergossen hatte, kein vergebliches Opfer gewesen war.
Ich ermahnte mich gerade, nicht länger grübelnd dort sitzen zu bleiben, und erhob mich, als ich in einiger Entfernung Makotos Stimme hörte. Jemand antwortete ihm und ich erkannte Shiro. Durch einen jener Streiche, die einem das Gedächtnis zuweilen spielt, hatte ich vollkommen vergessen, dass ich ihn auf dem Dach gesehen hatte. Mein Treffen mit Arai und die Ereignisse danach waren zu beherrschend gewesen. Nun kehrte die Erinnerung an seine Stimme zurück, die meinen Namen gerufen hatte, und an das Schweigen, das eingetreten war, als ich durch die Stadt ritt.
Makoto rief mich: »Takeo! Dieser Mann hier hat dich gesucht. Er möchte dich zu sich einladen.«
Shiro grinste. »Wir haben erst die Hälfte des Daches neu gedeckt. Aber wir könnten Ihnen etwas zu essen anbieten und Brennholz haben wir auch. Es wäre uns eine Ehre.«
Ich war ihm dankbar und spürte, dass seine bodenständige, praktische Veranlagung genau das war, was ich gerade brauchte.
»Geht es dir gut?«, fragte Makoto mich leise.
Ich nickte, meiner Stimme plötzlich nicht mehr trauend.
»Jo-Ans Tod tut mir sehr Leid«, sagte er. Zum zweiten Mal hatte er den Namen des Ausgestoßenen ausgesprochen.
»Er hatte ihn nicht verdient«, sagte ich.
»In so mancher Hinsicht war es weitaus mehr als das, was ihm gebührte: ein schneller Tod von deiner Hand. Es hätte sehr viel schlimmer kommen können.«
»Lass uns nicht darüber reden, es ist vorbei.« Ich wandte mich Shiro zu und fragte ihn, wann er Hagi verlassen hatte.
»Das war vor über einem Jahr«, sagte er. »Lord Shigerus Tod machte mich traurig und ich wollte den Otori nicht mehr dienen, nachdem er - und Sie - fort waren. Dies hier ist meine Heimatstadt. Als Zehnjähriger habe ich in Hagi meine Gesellenzeit begonnen, mehr als dreißig Jahre ist das jetzt her.«
»Mich erstaunt, dass sie dich gehen ließen«, sagte ich, denn Zimmermannsmeister von Shiros Geschick genossen für gewöhnlich hohes Ansehen und wurden von den Clans eifersüchtig vereinnahmt.
»Ich habe sie bezahlt«, erwiderte er kichernd. »Das Lehnsgebiet hat kein Geld; sie lassen jeden gehen, der sich mit einer ausreichend hohen Summe freikauft.«
»Kein Geld?«, rief ich aus. »Aber die Otori sind einer der reichsten Clans der Drei Länder! Was ist geschehen?«
»Krieg, Misswirtschaft, Habgier. Und die Piraten taten ein Übriges. Der Seehandel ist so gut wie zum Erliegen gekommen.«
»Das sind ermutigende Neuigkeiten«, sagte Makoto. »Können sie es sich denn noch leisten, ihre Armee zu unterhalten?«
»Mehr schlecht als recht«, sagte Shiro. »Die Männer sind gut ausgerüstet - der Großteil an Einkünften dieses Gebiets wurde in Rüstungen und Waffen investiert -, aber es herrscht ständig Lebensmittelknappheit und die Steuern schießen in den Himmel. Es gibt viel Unzufriedenheit. Wenn Lord Takeo nach Hagi zurückkehrt, schätze ich, dass die Hälfte der Truppen sich ihm anschließen wird.«
»Ist denn allgemein bekannt, dass ich beabsichtige zurückzukommen?« Ich fragte mich, was für Spione die Otori wohl beschäftigten und wie schnell diese Neuigkeiten sie erreichen würden. Selbst wenn sie es sich nicht mehr leisten konnten, den Stamm zu bezahlen, würden die Kikuta zweifellos auch ohne Lohn für sie arbeiten.
»Es ist, was jeder hofft«, erwiderte Shiro. »Und da Lord Arai Sie nicht hinrichten ließ, womit wir alle gerechnet hatten…«
»Das dachte ich auch«, sagte Makoto. »Es schien, als wäre ich gerade noch rechtzeitig gekommen, um dich ein letztes Mal zu sehen!«
Shiro betrachtete den friedlichen See, der im schwindenden Licht einen dunklen Grauton angenommen hatte. »Es hätte ein Blutbad gegeben«, sagte er leise. »Mehr als nur ein Bogenschütze hatte Pfeile auf Arai gerichtet.«
»Sag so etwas nicht«, warnte ich ihn. »Wir sind jetzt Verbündete. Ich habe ihn als meinen Oberherrn anerkannt.«
»Mag sein«, brummte Shiro, »aber es war nicht Arai, der ins Schloss von Inuyama schlich, um Lord Shigeru zu rächen.«
Shiro und seine Familie - seine Frau, zwei Töchter und Schwiegersöhne - bereiteten uns im gerade erst reparierten Teil ihres Hauses einen warmen Empfang. Wir aßen mit ihnen zu Abend, und dann gingen Makoto und ich, um mit Arai Wein zu trinken. Die Stimmung war heiter, sogar ausgelassen; Arai war offensichtlich davon überzeugt, dass
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