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Der Glanz des Mondes

Der Glanz des Mondes

Titel: Der Glanz des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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war anders: Es war leicht und klang nicht so wie das eines Mannes. Ich konnte in der Dunkelheit nichts sehen und machte mich auf der Stelle unsichtbar, falls der Eindringling über eine bessere Nachtsicht verfügte als ich. Geräuschlos glitt ich von meiner Matratze und kauerte mich in eine Ecke des Zimmers.
    An winzigen Geräuschen und einem kaum wahrnehmbaren Lufthauch erkannte ich, dass er sich meinem Schlafplatz genähert hatte. Ich vermeinte ihn nun zu riechen, aber es war nicht der volle Geruch eines Mannes. Hatten die Kikuta etwa eine Frau oder ein Kind auf mich angesetzt? Ich verspürte einen Moment der Abscheu, ein Kind töten zu müssen, schätzte ab, wo sein Kopf sich befinden musste und trat vor.
    Meine Hände schlossen sich um seine Kehle, fanden seinen Puls. Ich hätte zudrücken und ihn auf der Stelle töten können, aber ich hatte ihn kaum am Hals gepackt, als ich spürte, dass es in der Tat der eines Kindes war. Ich lockerte den Griff ein wenig; er hatte sämtliche Muskeln angespannt, um den Anschein zu erwecken, kräftiger gebaut zu sein, als er tatsächlich war. Als er merkte, dass mein Griff lockerer wurde, schluckte er und sagte rasch: »Lord Takeo, die Muto wünschen einen Waffenstillstand.«
    Ich packte ihn an den Armen, zwang ihn die Hände zu öffnen, entnahm seinen Kleidern ein Messer und eine Garrotte, hielt ihm die Nase zu, so dass er den Mund öffnen musste, und tastete die Mundhöhle nach Nadeln und Gift ab. All dies geschah im Dunkeln und er fügte sich ohne Gegenwehr. Dann rief ich nach Shiro und ließ ihn aus der Küche eine Lampe bringen.
    Als er den Eindringling sah, wäre ihm die Lampe beinahe aus der Hand gefallen. »Wie bist du hier hereingekommen? Das ist unmöglich!« Er wollte ihm eine Tracht Prügel verpassen, doch ich hielt ihn zurück.
    Ich drehte die Handflächen des Jungen nach oben und sah die verräterische, gerade verlaufende Linie. »Was sollen diese Lügen über die Muto, wenn du das Zeichen der Kikuta trägst?«
    »Ich bin Muto Shizukas Sohn«, sagte er leise. »Meine Mutter und der Mutomeister sind gekommen, um Ihnen einen Waffenstillstand anzubieten.«
    »Und was willst du dann hier? Ich pflege nicht mit kleinen Rotzbengeln zu verhandeln!«
    »Ich wollte bloß gucken, ob ich es schaffe«, erwiderte er, zum ersten Mal ein wenig zögerlich.
    »Deine Mutter weiß nicht, dass du hier bist? Ich hätte dich fast getötet! Was wäre dann aus dem Waffenstillstand geworden?« Ich schlug ihn, aber nicht so hart. »Du kleiner Idiot!« Ich merkte, dass ich genauso klang wie Kenji. »Bist du Zenko oder Taku?«
    »Taku«, flüsterte er.
    Es war also der Jüngere. »Wo ist deine Mutter jetzt?«
    »Nicht weit von hier. Soll ich Sie hinführen?«
    »Zu einer normalen Tageszeit vielleicht.«
    »Ich muss zurück«, sagte er nervös. »Sie wird sehr böse werden, wenn sie merkt, dass ich fort bin.«
    »Geschieht dir ganz recht. Hast du darüber denn nicht nachgedacht, bevor du losgegangen bist?«
    »Manchmal vergesse ich nachzudenken«, sagte er reumütig. »Ich will was ausprobieren und dann tu ich’s einfach.«
    Ich widerstand dem Drang zu lachen. »Bis morgen früh werde ich dich hier festhalten. Dann gehen wir zusammen zu deiner Mutter.«
    Ich wies Shiro an, ein wenig Schnur zu bringen, fesselte den Jungen, und befahl einem der beschämten Wachtposten, ihn nicht aus den Augen zu lassen. Taku schien sich problemlos damit abzufinden, ein Gefangener zu sein - zu problemlos sogar. Offenbar war er sich sicher, flüchten zu können, und ich brauchte ein wenig Schlaf. Ich befahl ihm, mich anzusehen, er gehorchte ein wenig widerstrebend, und fast sofort rollten seine Augen nach oben und seine Lider fielen ihm zu. Wie viel Talent er auch immer hatte - und ich zweifelte nicht daran, dass es beträchtlich war -, gegen den Kikutaschlaf konnte er nichts ausrichten.
    Das ist etwas, was ich ihm beibringen kann, dachte ich gerade noch, dann fiel ich ebenfalls in Schlaf.
    Er schlief immer noch, als ich erwachte. Ich studierte eine Weile sein Gesicht: Er hatte keinerlei Ähnlichkeit mit mir oder den Kikuta; er ähnelte vor allem seiner Mutter, entfernt aber auch seinem Vater. Wenn mir Arais Sohn in die Hände gefallen war… und die Muto tatsächlich Frieden mit mir schließen wollten… Erst jetzt, als das Gefühl der Erleichterung mich überkam, merkte ich, wie sehr ich mich vor einem Wiedersehen mit meinem alten Lehrer und den Folgen gefürchtet hatte.
    Taku schlief und schlief, was mich nicht

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