Der Glanz des Mondes
wenn wir nicht länger verfeindet wären.« Mein Verhalten war abweisender als meine Gefühle, bedingt durch all das, was zwischen mir und meinem alten Lehrer vorgefallen war. Lange hatte ich ihm die Mitschuld an Shigerus Tod gegeben; nun verflog mein Groll durch den Kummer um Yukis Tod, durch Kenjis Trauer. Ich war nicht stolz auf mein Verhältnis zu Yuki, und zudem stand die Frage nach dem Kind im Raum - mein Sohn, Kenjis Enkel.
Kenji seufzte. »Die Situation ist unerträglich geworden. Was haben wir davon, uns gegenseitig auszulöschen? Der Grund, weshalb die Kikuta überhaupt Anspruch auf dich erhoben, war, dass sie deine Talente für ihre Familie erhalten wollten. Wenn sich je einer selbst ein Bein stellte, dann sie. Ich weiß, dass du die Aufzeichnungen besitzt, die Shigeru verfasst hat. Und ich habe keine Zweifel daran, dass du dem Stamm einen furchtbaren Schlag versetzen kannst.«
»Ich würde es vorziehen, mit ihm zusammenzuarbeiten, anstatt ihn zu vernichten«, sagte ich. »Aber er muss ohne Wenn und Aber zu mir stehen. Kannst du mir das garantieren?«
»Für alle außer die Kikuta. Sie werden sich niemals mit dir versöhnen.« Er schwieg einen Moment, dann fügte er finster hinzu: »Und ich mich ebenso wenig mit ihnen.«
»Es tut mir so Leid um deine Tochter«, sagte ich. »Ihr Tod erfüllt mich mit schrecklichen Schuldgefühlen. Dafür gibt es keine Entschuldigung. Ich wünschte bloß, dass ich sicher sein könnte, denselben Fehler nicht wieder zu begehen, wenn ich mein Leben noch einmal von vorn leben dürfte.«
»Ich gebe dir nicht die Schuld«, sagte Kenji. »Yuki wollte dich. Ich fühle mich selber schuldig, weil ich sie in dem Glauben erzog, sie besäße mehr Freiheit, als es tatsächlich der Fall war. Von dem Zeitpunkt an, als sie dir Jato brachte, zweifelten die Kikuta an ihrem Gehorsam. Sie hatten Angst, dass sie das Kind beeinflussen würde. Dein Sohn soll dich später einmal hassen, verstehst du. Die Kikuta besitzen Langmut. Und Yuki hasste dich nicht und hätte es nie getan. Sie hat immer Partei für dich ergriffen.« Er lächelte bekümmert. »Sie war sehr wütend, als wir dich in Inuyama entführten. Und sie sagte mir, es würde uns niemals gelingen, dich gegen deinen Willen festzuhalten.«
Ich spürte, wie mir brennende Tränen in die Augen stiegen.
»Sie hat dich geliebt«, sagte Kenji. »Vielleicht hättest du sie ja auch geliebt, wenn du zuvor nicht Lady Shirakawa begegnet wärst. Auch deswegen mache ich mir Vorwürfe. Ich habe euer Zusammentreffen praktisch arrangiert; ich hatte bemerkt, wie du dich beim Schwerttraining in sie verliebtest. Ach, ich weiß nicht. Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir alle auf dieser Reise verhext waren.«
Auch mir kam es so vor, ich erinnerte mich an den strömenden Regen, an meine heftige Leidenschaft für Kaede, die Waghalsigkeit meines Eindringens ins Schloss von Yamagata, Shigerus Reise in den Tod.
»Ich wünschte zwar, die Dinge wären anders gekommen, Takeo, aber ich gebe dir nicht die Schuld und hege keinen Groll gegen dich.«
Diesmal beanstandete ich seine vertrauliche Anrede nicht. Er fuhr fort und klang dabei wieder mehr wie mein alter Lehrer: »Oft handelst du wie ein Narr, aber das Schicksal scheint dich aus einem bestimmten Grund auserwählt zu haben, und unsere Leben sind auf irgendeine Art und Weise miteinander verwoben. Ich bin bereit dir Zenko und Taku anzuvertrauen, als ein Zeichen meiner guten Absichten.«
»Darauf lass uns trinken«, sagte ich und rief nach Shiros Tochter, damit sie uns Wein brachte.
Als sie uns eingeschenkt hatte und wieder in die Küche gegangen war, fragte ich: »Weißt du, wo mein Sohn ist?« Es fiel mir schwer, ihn mir vorzustellen, einen Säugling ohne Mutter.
»Ich habe es nicht geschafft, es in Erfahrung zu bringen. Aber ich nehme an, dass Akio ihn nach Norden gebracht haben wird, jenseits der Grenzen der Drei Länder. Du wirst bestimmt versuchen, ihn zu finden?«
»Wenn all das hier vorüber ist.« Ich hätte Kenji gern von der Prophezeiung erzählt, davon, dass mein eigener Sohn mich vernichten würde, doch schließlich behielt ich es lieber für mich.
»Offenbar hält sich der Kikutameister, Kotaro, in Hagi auf«, berichtete mir Kenji, während wir tranken.
»Dann werden wir ihm dort begegnen. Ich hoffe, du wirst mich begleiten?«
Er versprach es und wir umarmten uns.
»Was hast du mit den Jungen vor?«, sagte er. »Sollen sie hier bei dir bleiben?«
»Ja. Taku scheint sehr begabt zu
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