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Der Glanz des Mondes

Der Glanz des Mondes

Titel: Der Glanz des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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es«, sagte sie. »Ich habe ihm gesagt, ich müsste dich erst um Rat fragen. Aber ich brauche etwas mehr Zeit, um darüber nachzudenken.«
    »Es gibt keinen Grund, irgendetwas zu überstürzen«, stimmte Kenji zu. »Du kannst ihm deine Antwort geben, wenn er wieder zurück ist.« In seinem Blick glimmte eine Gefühlsregung, die sie nicht zu deuten wusste. »Ich kann dann entscheiden, was zu tun ist.«
    Shizuka sagte nichts, sondern studierte im Schein der Lampe Kenjis Miene und versuchte, sich aus den vielen Einzelheiten, die er ihr mitgeteilt hatte, ein klares Bild zu machen, das Gesprochene wie auch das Unausgesprochene zu entschlüsseln. Sie spürte, wie froh er war, ihr seine Sorgen anvertrauen zu können - wahrscheinlich hatte er bislang noch mit keinem anderen darüber gesprochen, nicht einmal mit seinen Eltern. Und sie merkte, wie viel er für Shigeru empfunden hatte und für Takeo immer noch empfand, und konnte sich vorstellen, in welche Gewissensnot es ihn bringen müsste, gezwungen zu sein, zu Takeos Tod beizutragen. Nie zuvor hatte sie es erlebt, dass er oder andere Angehörige des Stamms Differenzen zwischen den Meistern so offen ansprachen.
    Konnte der Stamm überhaupt überleben, wenn die Familien der Muto und der Kikuta sich zerstritten? Das schien ihr eine viel größere Gefahr zu sein als alles, was Arai oder Takeo möglicherweise gegen sie unternehmen würden.
    »Wo ist deine Tochter jetzt?«, fragte sie.
    »Soweit ich weiß, in einem der geheimen Kikutadörfer nördlich von Matsue.« Kenji machte eine Pause. Dann sagte er leise, fast kummervoll: »Yuki wurde zu Beginn des Jahres mit Akio vermählt.«
    »Mit Akio?« Shizukas Stimme wurde unwillkürlich laut.
    »Ja, die Arme. Die Kikuta bestanden darauf und ich sah keine Möglichkeit meine Zustimmung zu verweigern. Von einer Heirat der beiden war bereits die Rede, als sie noch Kinder waren. Zudem hatte ich keine rationale Begründung, meine Einwilligung nicht zu geben, nur die irrationalen Gefühle eines Vaters, der sein einziges Kind verliert. Meine Frau teilte diese Bedenken nicht. Sie befürwortete die Heirat entschieden, zumal Yuki bereits schwanger war.«
    Shizuka war überrascht. »Sie erwartet ein Kind von Akio?«
    Er schüttelte den Kopf. Shizuka hatte ihn noch nie so sprachlos gesehen.
    »Doch nicht etwa von Takeo?«
    Er nickte. Die Lampen flackerten; im ganzen Haus herrschte Stille.
    Shizuka wusste nicht, was sie sagen sollte. Alles, woran sie denken konnte, war das Kind, das Kaede verloren hatte. Ihr war, als würde sie die Frage wieder hören, die Kaede ihr damals im Garten ihres Hauses in Shirakawa gestellt hatte: Hätten sie mir das Kind weggenommen, so wie sie mir Takeo genommen haben? Die Vorstellung, dass der Stamm ein Kind von Takeo haben würde, erschien ihr als etwas Übernatürliches, als grausames Wirken des Schicksals, dem der Mensch hoffnungslos ausgeliefert ist, sosehr er auch zappelt und sich windet.
    Kenji atmete tief ein und fuhr fort: »Seit dem Zwischenfall in Yamagata war sie in Takeo vernarrt und unterstützte ihn entschieden gegen den Kikutameister und mich. Wie du dir denken kannst, litt ich selbst ziemliche Qualen wegen der Entscheidung, Takeo in Inuyama noch vor dem versuchten Attentat auf Iida zu entführen. Damit beging ich Verrat an Shigeru. Meine Mitschuld an seinem Tod werde ich mir wohl niemals verzeihen. Ich hatte ihn jahrelang als meinen besten Freund angesehen. Aber um der Einigkeit des Stamms willen tat ich, was die Kikuta wünschten, und lieferte ihnen Takeo aus. Unter uns, ich wäre froh gewesen, in Inuyama umzukommen, wenn es mich von der Scham, die ich empfand, hätte erlösen können. Außer mit dir habe ich noch nie mit jemandem darüber gesprochen.
    Natürlich sind die Kikuta begeistert über dieses Kind. Im siebten Monat wird es zur Welt kommen. Sie hoffen, dass es die Fertigkeiten beider Elternteile erbt. Da sie Takeos Erziehung für alle seine Fehler verantwortlich machen, soll dieses Kind von Geburt an von ihnen selbst erzogen werden…«
    Er hielt inne. Die Stille im Raum verstärkte sich.
    »Sag etwas, Nichte, und sei es nur, dass ich es nicht besser verdient habe!«
    »Es ist nicht an mir, dich für irgendetwas, das du getan hast, zu verurteilen«, erwiderte sie leise. »Du musst sehr gelitten haben, das tut mir Leid. Ich finde es erstaunlich, wie das Schicksal mit uns spielt - wie mit Steinen auf einem Brett.«
    »Siehst du manchmal Geister?«
    »Ich träume von Lord Shirakawa«, gab sie

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