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Der Glanz des Mondes

Der Glanz des Mondes

Titel: Der Glanz des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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zu. Nach einer langen Pause fügte sie hinzu: »Wie du weißt, haben Kondo und ich seinen Tod herbeigeführt, um Kaede und ihr Kind zu schützen.«
    Sie hörte das pfeifende Geräusch seines Atems, aber er sagte nichts und nach einer Weile fuhr sie fort: »Ihr Vater war nicht mehr bei Verstand und kurz davor, sie zu vergewaltigen und umzubringen. Ich wollte ihr Leben und das ihres Kindes retten. Doch sie verlor das Kind trotzdem und wäre fast gestorben. Ich weiß nicht, ob sie sich erinnert, was wir getan haben, und ich würde es jederzeit wieder genauso machen; aber aus irgendeinem Grund, vielleicht weil ich nie mit jemandem darüber gesprochen habe, nicht einmal mit Kondo, verfolgt mich diese Geschichte.«
    »Wenn du ihr damit das Leben retten wolltest, bin ich sicher, dass deine Tat gerechtfertigt war«, sagte er.
    »Es war einer dieser Momente, wo keine Zeit zum Nachdenken blieb. Kondo und ich handelten instinktiv. Ich hatte vorher noch nie einen Mann von so hohem Stand getötet. Es erscheint mir wie ein Verbrechen.«
    »Nun, mein Verrat an Shigeru kommt mir ebenfalls wie ein Verbrechen vor. Er erscheint mir im Traum. Ich sehe ihn vor mir, so wie wir ihn damals aus dem Fluss holten. Ich zog ihm die Kapuze vom Kopf und bat ihn mir zu vergeben, aber seine Kraft reichte nur, um mit Takeo zu sprechen. Nacht für Nacht sucht er mich heim.« Wieder entstand eine lange Pause.
    »Woran denkst du?«, flüsterte sie. »Du würdest den Stamm doch niemals spalten?«
    »Ich muss das tun, was mir für die Mutofamilie am besten erscheint«, erwiderte er. »Und die Kikuta haben meine Tochter und werden bald auch mein Enkelkind besitzen. Ihnen bin ich natürlich am meisten verpflichtet. Aber ich habe Takeo damals bei unserer ersten Begegnung geschworen, dass er sicher sei, solange ich lebe. Ich will nicht seinen Tod anstreben. Wir werden abwarten, welchen Weg er einschlägt. Die Kikuta wollen, dass die Otori ihn provozieren und in die Schlacht locken. Sie haben sich voll und ganz auf Hagi und Terayama konzentriert.« Er sog zischend die Luft durch die Zähne. »Ich nehme an, dass der arme alte Ichiro ihr erstes Ziel sein wird. Aber was, meinst du, werden Takeo und Kaede tun, wenn sie erst einmal geheiratet haben?«
    »Kaede ist entschlossen, ihr Erbe in Maruyama anzutreten«, sagte Shizuka. »Ich denke, die beiden werden so schnell wie möglich nach Süden ziehen.«
    »In Maruyama leben nur wenige Familien des Stamms«, sagte Kenji. »Takeo wird dort sicherer sein als an jedem anderen Ort.« Er schwieg einen Moment, eingehüllt in seine Gedanken. Dann lächelte er schwach.
    »Natürlich sind wir selber schuld an dieser Heirat. Wir haben die beiden zusammengebracht, wir ermunterten sie sogar noch. Was hat uns da nur getrieben?«
    Shizuka erinnerte sich plötzlich wieder an die Trainingshalle in Tsuwano, hörte das Aufeinanderkrachen der Stangen, den trommelnden Regen von draußen, sah ihre jungen und lebhaften Gesichter vor sich, an der Schwelle zur Leidenschaft. »Vielleicht taten sie uns Leid. Beide waren Schachfiguren in einer Verschwörung, die viel größere Kreise zog, als sie je hätten ahnen können. Und für beide sah es sehr danach aus, dass sie sterben würden, noch ehe ihr Leben richtig begonnen hatte.«
    »Oder vielleicht hast du Recht damit, dass wir selbst die Schachfiguren waren, bewegt durch die Hand des Schicksals«, erwiderte ihr Onkel. »Kondo kann morgen abreisen. Bleib doch den Sommer über hier. Es wird mir gut tun, diese Dinge mit dir zu bereden. Ich habe schwere Entscheidungen zu treffen, die sich noch auf viele Generationen nach uns auswirken werden.«

KAPITEL 5

    Die ersten Wochen in Maruyama verbrachten wir mit der Instandsetzung des Landes, wie Kaede es vorausgesagt hatte. Man bereitete uns einen warmen und spürbar herzlichen Empfang, aber Maruyama war eine riesige Domäne mit vielen alteingesessenen Gefolgsleuten und einer großen Anzahl von Ältesten, so starrköpfig und konservativ wie die meisten alten Männer. Mein Ruf als Shigerus Rächer kam mir zugute, doch es kursierten die üblichen Gerüchte darüber, wie ich diesen Erfolg errungen hatte: meine zweifelhafte Abstammung, der Verdacht der Hexerei. Die mir dienenden Otorikrieger waren durch und durch loyal und ich vertraute Sugita, seiner Familie und den Männern, die an seiner Seite gekämpft hatten. Bei vielen der anderen hatte ich jedoch meine Zweifel, und sie waren mir gegenüber gleichermaßen misstrauisch.
    Sugita freute sich sehr über

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