Der Glanz des Mondes
wussten, um die Produktionsstätten des Stamms zu übernehmen. Wir gaben ihnen das Geld, sich in den früheren Häusern des Stamms einzurichten, und verlangten im Gegenzug sechs Hundertstel für die Staatskasse der Domäne. Dieses Vorgehen versprach so gute Einnahmen zu erzielen, dass wir meinten, nicht mehr als ein Dreißigstel der Reisernte als Abgabe beanspruchen zu müssen, was uns wiederum bei den Bauern und Dorfbewohnern beliebt machte.
Ich verteilte die übrigen Ländereien und Besitztümer des Stamms an diejenigen, die mit mir aus Terayama gekommen waren. Ein kleines Dorf an den Ufern eines Flusses wurde den Ausgestoßenen überlassen, die sogleich damit begannen, die Häute der toten Pferde zu Leder zu verarbeiten. Ich war erleichtert, dass diese Gruppe, die mir so geholfen hatte, nun ein friedliches Zuhause gefunden hatte, aber meine schützende Hand über sie verblüffte die Ältesten und mehrte ihr Misstrauen gegen mich.
Jede Woche erschienen weitere Otorikrieger, um sich mir anzuschließen. Die Hauptarmee des Clans, die in Terayama versucht hatte, mir aufzulauern, war mir bis zu dem Fluss gefolgt, den wir auf der Brücke der Ausgestoßenen überquert hatten, und lagerte noch immer dort. Sie kontrollierte die Straßen zwischen Yamagata, Inuyama und dem Westen und bereitete offenbar auch Arai einiges an Sorgen.
Die meisten Nachmittage verbrachte ich bei Kaede im Teepavillon, wo wir, gemeinsam mit Makoto und den Miyoshibrüdern, Strategien diskutierten. Meine Hauptsorge galt der Gefahr, von den Otori im Norden und Arai im Südosten eingekreist zu werden, wenn ich zu lange blieb, wo ich war. Ich wusste, dass Arai sehr wahrscheinlich noch in diesem Sommer nach Kumamoto, in seine Heimatstadt, zurückkehren würde. An zwei Fronten zu kämpfen wäre ein hoffnungsloses Unterfangen gewesen. Wir entschieden, dass es ein günstiger Zeitpunkt wäre, Kahei und Gemba zu Arai zu schicken und zu versuchen, ganz gleich, wie kurz die Zeitspanne sein mochte, einen irgendwie gearteten Frieden auszuhandeln. Mir war klar, dass ich dafür nur wenig in die Waagschale werfen konnte: unser kurzes Bündnis gegen Iida, Shigerus Vermächtnis und seine Aufzeichnungen über den Stamm. Andererseits hatten mein Verschwinden und meine Heirat ihn erzürnt und beleidigt, und möglicherweise hatte sich seine Wut auf den Stamm aus zweckdienlichen Gründen inzwischen gelegt.
Ich machte mir keinerlei Illusionen über einen Frieden mit den Otori. Mit Shigerus Onkel ließ sich nicht verhandeln und sie würden niemals zu meinen Gunsten abdanken. Der Clan war bereits so gespalten, dass es praktisch dem Zustand eines Bürgerkriegs gleichkam. Wenn ich ihre Haupttruppen angriff, selbst im Falle eines Sieges, würden sie sich einfach nach Hagi zurückziehen und konnten uns dort mit Leichtigkeit so lange hinhalten, bis uns der Winter ganz von selbst bezwang. Obwohl sich die Domäne Maruyama gut erholt hatte, verfügten wir nicht über genügend Reserven für eine längere Belagerung in so weiter Entfernung von unserem Hauptstützpunkt.
Ich war den Otoritruppen entkommen, indem ich die Hilfe der Ausgestoßenen angenommen hatte, denen niemand anders sich auch nur im Traum genähert hätte, und nun überlegte ich, wie ich sie ein zweites Mal überraschen könnte. Ich sah die Stadt in Gedanken vor mir, wie sie im Schutz der Bucht lag, wehrhaft landeinwärts, aber ungeschützt zur Seeseite. Wenn ich Hagi auf dem Landweg nicht erreichen konnte, warum dann nicht über das Meer?
Truppen, die sich auf dem Seeweg rasch transportieren ließen: Ich kannte keinen Kriegsherrn, der über solche Streitkräfte verfügte. Obwohl wir aus der Geschichte wissen, dass vor hundert Jahren eine riesige Armee vom Festland herübersegelte, die siegreich gewesen wäre, wenn damals nicht ein Sturm, den der Himmel sandte, die Acht Inseln gerettet hätte. Meine Gedanken kreisten um diesen Jungen, Terada Fumio, der in Hagi mein Freund gewesen und später zusammen mit seiner Familie auf die Insel Oshima geflohen war. Fumio hatte mir von Schiffen und der Segelkunst erzählt, hatte mich schwimmen gelehrt, und Shigerus Onkel waren ihm damals ebenso verhasst wie mir. Konnte ich ihn zu einem meiner Verbündeten machen?
Ich sprach nicht offen über diese Idee, doch eines Abends, als die anderen sich bereits zurückgezogen hatten, sagte Kaede, die mich ständig beobachtete und alle meine Stimmungen erriet: »Denkst du darüber nach, Hagi auf irgendeinem anderen Wege
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