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Der Glanz des Mondes

Der Glanz des Mondes

Titel: Der Glanz des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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am Leben waren. Aber zu meinen Füßen hörte ich die Geräusche von irgendetwas Krabbelndem und spürte, wie etwas über mich hinwegkroch. Meine Mutter starrte überrascht nach unten. Neugierig folgte ich ihrem Blick. Der ganze Boden war eine schwarze, wabernde Masse aus Krabben, denen man ihre Panzer vom Rücken gerissen hatte. Dann begann jenes Geschrei, das ich vor einer Ewigkeit aus einem anderen Schrein gehört hatte, als ein Mann von den Tohan in Stücke gerissen worden war.
    Ich wusste, dass die Krabben mich in Stücke reißen würden, weil ich ihnen ihre Panzer abgerissen hatte.
    Schweißnass vor Entsetzen wachte ich auf. Makoto kniete neben mir. »Ein Mann ist gekommen«, sagte er. »Er will mit niemandem sprechen außer mit dir.«
    Die Angst erdrückte mich. Ich wollte nicht mit diesem Fremden nach Oshima fahren. Ich wollte auf der Stelle nach Maruyama umkehren, zurück zu Kaede. Am liebsten hätte ich einen anderen auf diese Reise geschickt, die mir wie die Mission eines Verrückten erschien. Doch jeder andere würde wahrscheinlich von den Piraten getötet werden, noch ehe er eine Botschaft überbringen konnte. Nun, da ich bereits so weit gekommen war, da man mir diesen Mann geschickt hatte, der mich nach Oshima zu den Terada bringen würde, konnte ich keinen Rückzieher mehr machen.
    Der Mann kniete hinter Makoto. Im Dunkeln konnte ich nicht viel von ihm erkennen. Er entschuldigte sich, nicht früher gekommen zu sein, aber die Flut sei erst zur zweiten Hälfte der Stunde des Ochsen günstig, und da wir fast Vollmond hätten, sei er davon ausgegangen, dass ich es vorzöge, des Nachts überzusetzen, anstatt die Nachmittagsflut abzuwarten. Er wirkte jünger als der Fischer, der ihn zu mir geschickt hatte, und seine Sprache klang kultivierter und verriet eine höhere Bildung, wodurch er schwer einzuschätzen war.
    Makoto wollte mir mindestens einen Begleiter mitgeben, doch mein Führer weigerte sich, außer mir noch jemanden mitzunehmen, mit der Begründung, sein Boot sei zu klein. Ich bot an, ihm das Silber zu geben, bevor wir aufbrachen, doch er lachte und meinte, es gäbe keinen Grund, es den Piraten hinterherzuwerfen; er würde es nehmen, wenn wir zurück wären, und falls wir nicht zurückkehrten, käme ein anderer, um es sich abzuholen.
    »Wenn Lord Otori nicht zurückkehrt, gibt es keine andere Bezahlung als die Klinge«, sagte Makoto grimmig.
    »Aber wenn ich sterbe, verdienen meine Angehörigen eine Entschädigung«, gab er zurück. »Dies ist meine Bedingung.«
    Ich setzte mich über Makotos Bedenken hinweg und erklärte mich einverstanden. Ich wollte endlich aufbrechen, die Angst, die der Traum bei mir hinterlassen hatte, wieder abschütteln. Shun wieherte mir nach, als ich mit dem Fremden fortging. Ich trug Makoto auf, sich um mein Pferd zu kümmern und es mit seinem Leben zu verteidigen. Jato nahm ich mit mir und, wie immer, verborgen unter meinen Kleidern die Waffen des Stamms.
    Das Boot lag am Kiesstrand - der Mann hatte es bis knapp über die Hochwassermarke gezogen. Auf dem Weg dorthin sprachen wir nicht. Ich half ihm, es ins Wasser zu ziehen, und sprang hinein. Er schob es noch weiter hinaus, schwang sich selbst hinein und trieb das Boot vom Heck aus mit nur einem Ruder an. Später übernahm ich es, während er ein kleines quadratisches Strohsegel setzte. Es schimmerte gelblich im Mondlicht und am Mast befestigte Glücksbringer bimmelten im ablandigen Wind, der uns zusammen mit der Gezeitenströmung zur Insel hinüberbringen würde.
    Es war eine helle Nacht und der fast volle Mond warf einen Silberstreif über die ruhige See. Das Boot sang sein Lied von Wind und Wellen, dasselbe, das ich noch von den Booten kannte, in denen ich mit Fumio gesessen hatte, damals in Hagi. Etwas von der Freiheit und dem Reiz des Verbotenen jener Nächte kehrte nun zu mir zurück und zerschnitt das Netz aus Furcht, in das der Traum mich eingesponnen hatte.
    Im Schein des Mondes konnte ich den jungen Mann am Heck des Bootes besser erkennen. Seine Züge kamen mir seltsam vertraut vor, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, dass wir uns je zuvor begegnet waren.
    »Wie heißt du?«
    »Ryoma, Eure Lordschaft.«
    »Kein weiterer Name?«
    Er schüttelte den Kopf und mein Eindruck war, dass er die restliche Fahrt über schweigen würde. Nun, er brachte mich nach Oshima, er musste sich nicht auch noch mit mir unterhalten. Gähnend zog ich meinen Mantel enger um mich. Ich konnte ebenso gut ein wenig schlafen.
    »Hätte

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