Der Glanz des Mondes
Garten mit dem qualmenden Feuer, das seufzende Meeresrauschen im Hintergrund, wuchs die Spannung zwischen uns. Er wollte meine tiefsten Geheimnisse erfahren; ich wollte ihm mein Herz öffnen. Jetzt, wo alle anderen schliefen und nur noch wir an diesem unheimlichen Ort wachten, schlich sich vielleicht auch Begierde ein. Ich war mir seiner Liebe zu mir immer bewusst gewesen. Es war etwas, auf das ich inzwischen zählte, wie die Treue der Miyoshibrüder, wie meine Liebe zu Kaede. Makoto war ein fester Halt in meinem Leben. Ich brauchte ihn. Vielleicht hatte sich unser Verhältnis seit jener Nacht in Terayama verändert, in der er mich getröstet hatte, aber in diesem Augenblick erinnerte ich mich wieder, wie allein und verletzbar ich nach Shigerus Tod gewesen war, an mein damaliges Gefühl, mit Makoto über alles reden zu können.
Das Feuer war niedergebrannt, so dass ich sein Gesicht kaum erkennen konnte, aber ich spürte seinen Blick. Ich fragte mich, was er wohl vermutete. Mir erschien alles so offensichtlich, dass ich fast schon damit rechnete, er würde es jeden Moment selbst aussprechen.
»Meine Mutter gehörte zu den Verborgenen. Ich bin nach ihrem Glauben erzogen worden. Sie und meine ganze Familie, soweit ich weiß, sind von den Tohan massakriert worden. Shigeru hat mich gerettet. Jo-An und dieser Fischer sind ebenfalls Verborgene. Wir… wir erkennen einander.«
Makoto sagte nichts. Ich fuhr fort: »Ich vertraue darauf, dass du es niemandem erzählst.«
»Wusste unser Abt davon?«
»Vielleicht durch Shigeru, aber er hat es nie erwähnt. Und ich bin sowieso kein Gläubiger mehr. Ich habe gegen alle Gebote verstoßen, vor allem gegen das Verbot des Tötens.«
»Natürlich werde ich es niemals weitererzählen. Es würde dir innerhalb der Kriegerklasse großen, nicht wieder gutzumachenden Schaden zufügen. Die meisten von ihnen waren der Meinung, dass Iida die Verborgenen zu Recht verfolgte. Und nicht wenige taten es ihm gleich. Das erklärt vieles an dir, was ich nie verstanden habe.«
»Du als Krieger und Mönch, als Anhänger des Erleuchteten, musst die Verborgenen doch hassen.«
»Es ist weniger Hass, sondern eher Unverständnis ihrem mysteriösen Glauben gegenüber. Ich weiß so wenig über sie, und das, was ich weiß, ist wahrscheinlich verzerrt. Vielleicht werden wir eines Tages darüber reden, wenn der Frieden da ist.«
Ich hörte das Bemühen um Sachlichkeit in seiner Stimme, den Willen, mich nicht zu verletzen. »Das Wichtigste, was meine Mutter mich lehrte, war Mitleid«, sagte ich. »Mitleid und eine Abneigung gegenüber Grausamkeit. Aber alles, was ich später lernte, war, jegliches Mitleid zu vergessen und immer härter zu werden.«
»Dies sind die Anforderungen von Herrschertum und Krieg«, erwiderte er. »Es ist der Weg, den das Schicksal uns führt. Auch im Tempel lehrt man uns, nicht zu töten, aber nur Heilige können am Ende eines erfüllten Lebens danach streben. Zu kämpfen, um dich selbst zu verteidigen, deinen Herrn zu rächen oder um Gerechtigkeit und Frieden zu erreichen, ist keine Sünde.«
»So hat es Shigeru mich gelehrt.«
Es folgte ein Moment der Stille, in dem ich dachte, er würde seine Hand nach mir ausstrecken. Ich wäre nicht davor zurückgewichen, um ehrlich zu sein. Plötzlich hatte ich das Verlangen, mich hinzulegen und von jemandem umarmt zu werden. Vielleicht wäre ich sogar ein wenig auf ihn zugegangen, doch es war Makoto, der sich zurückzog. Er erhob sich und sagte: »Schlaf ein bisschen. Ich halte eine Weile Wache und wecke dann die Männer.«
Ich legte frisches Holz auf das Feuer und blieb dicht daneben sitzen, um mir die Moskitos vom Leib zu halten, aber sie umschwirrten immer noch meinen Kopf. Unablässig überspülte das Meer den Kies und wich dann wieder zurück. Ich war beunruhigt, mich offenbart zu haben, beunruhigt bei dem Gedanken an meinen Unglauben und daran, wie Makoto nun wohl von mir dachte. Wie ein Kind hätte ich gern seine Zusicherung gehabt, dass es für ihn keine Rolle spielte. Ich sehnte Kaede herbei, fürchtete, auf der Insel Oshima in der Höhle des Drachen zu verschwinden und sie nie wieder zu sehen.
Endlich schlief ich ein. Zum ersten Mal seit dem Tod meiner Mutter träumte ich lebhaft von ihr. Sie stand vor mir, draußen vor unserem Haus in Mino. Es roch nach Essen und ich hörte das Klirren der Axt, mit der mein Stiefvater das Brennholz klein hackte. Im Traum durchfuhr mich Freude und Erleichterung, dass sie trotz allem immer noch
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