Der Glanz des Mondes
Hiroshi tun sollte. Die Reise war ihr als vollkommen ungefährlich erschienen. Dennoch wurde sie das Gefühl nicht los, ihn in Gefahr gebracht zu haben. Sollte er sie zu Lord Fujiwara begleiten oder war es besser, ihn so rasch wie möglich heimkehren zu lassen?
Sie stand früh auf, ließ nach Amano schicken und legte die einfache Reisekleidung an, die sie auf dem Weg nach Shirakawa getragen hatte, obwohl sie innerlich Shizukas mahnende Stimme hörte: Sie können Lord Fujiwara nicht zu Pferd besuchen wie ein Krieger. Ihr Urteilsvermögen riet ihr, einige Tage abzuwarten, zunächst Grüße und Geschenke zu übermitteln und dann in der Sänfte und mit seiner Eskorte zu reisen, perfekt für ihn gekleidet, sich zu präsentieren wie die makellosen Schätze, die er so liebte. Shizuka und sogar Manami hätten ihr genau dies geraten. Aber ihre Ungeduld war zu groß. Sie würde das untätige Ausharren nicht ertragen, das wusste sie. Sie würde Lord Fujiwara ein letztes Mal treffen, herausfinden, wo ihre Schwestern sich aufhielten und welches Anliegen er hatte, und dann sofort nach Maruyama aufbrechen, zurück zu Takeo.
Als Amano kam, schickte sie die Dienerinnen fort, um ihn unter vier Augen sprechen zu können, und klärte ihn rasch über die neue Lage auf.
»Ich muss zu Lord Fujiwara, aber um ehrlich zu sein, bin ich in Sorge, welche Absichten er hegt. Vielleicht wird es notwendig sein, ohne lange Vorbereitungen von dort abzureisen und schnellstens nach Maruyama zurückzukehren. Seien Sie also darauf gefasst und kümmern Sie sich darum, dass Männer und Pferde bereit sind.«
Seine Augen verengten sich. »Es wird doch nicht zu einem Kampf kommen?«
»Ich weiß es nicht. Ich fürchte, sie werden versuchen mich festzuhalten.«
»Gegen Ihren Willen? Unmöglich!«
»Es ist nicht wahrscheinlich, ich weiß, aber ich bin beunruhigt. Warum verschleppt man meine Schwestern, wenn man nicht vorhat, mich in irgendeiner Weise zu erpressen?«
»Wir sollten sofort abreisen«, sagte er, jung genug, um sich von der sozialen Stellung des Edelmanns nicht einschüchtern zu lassen. »Lassen Sie Ihren Ehemann mit dem Schwert zu Lord Fujiwara sprechen.«
»Ich habe Angst davor, was man meinen Schwestern antun wird. Zumindest muss ich herausfinden, wo sie sind. Shoji sagt, wir können uns Fujiwara nicht widersetzen, und ich denke, er hat Recht. Ich muss gehen und mit ihm reden. Aber ich werde sein Haus nicht betreten. Lassen Sie nicht zu, dass man mich hineinbringt.«
Amano verneigte sich.
»Soll ich Hiroshi nach Hause schicken? Ich wünschte, ich hätte ihn nicht mitgenommen; nun trage ich die Verantwortung für seine Sicherheit.«
»Wir können ausreichend für seine Sicherheit garantieren«, sagte Amano. »Er sollte bei uns bleiben. Außerdem können wir schwerlich Männer entbehren, die ihn zurückbringen, wenn uns Probleme erwarten. Ich sterbe eher, als dass ihm oder Ihnen ein Leid geschieht.«
Sie lächelte, dankbar für seine Treue. »Dann brechen wir unverzüglich auf.«
Das Wetter war wieder umgeschlagen. Die klare Kühle der letzten Tage war einer neuerlichen drückenden Hitze gewichen. Es war schwül und die Luft stand, die Sorte Tage, die den spätsommerlichen Taifunen vorausging. Die Pferde schwitzten und waren unruhig, Hiroshis Rotschimmel war nervöser denn je.
Kaede wollte mit Hiroshi reden, ihn vor den Gefahren, die ihnen möglicherweise bevorstanden, warnen, ihm das Versprechen abverlangen, sich in keinen Kampf verwickeln zu lassen; doch sein Pferd war zu erregt, und Amano ließ den Jungen bei sich an der Spitze mitreiten, damit die Unruhe des Rotschimmels nicht auch noch auf Raku überging. Kaede spürte, wie der Schweiß an den Innenseiten ihrer Kleidung hinunterlief. Sie hoffte, dass sie nicht mit gerötetem Gesicht und vollkommen verschwitzt ankommen würde. Halb bereute sie bereits ihre übereilt getroffene Entscheidung. Doch wie immer stärkte das Reisen zu Pferde ihre Kräfte. Sie hatte die Strecke bislang nur in der Sänfte zurückgelegt, mit Seidenvorhängen und geölten Wandschirmen aus Papier, die sie einschlossen und ihr den freien Blick auf die Landschaft verwehrten. Nun hatte sie Gelegenheit, die Schönheit der Umgebung in sich aufzunehmen, die Üppigkeit von Feldern und Wäldern, die Erhabenheit der Berge in der Ferne, wo Gebirgszug auf Gebirgszug folgte, jeder ein wenig blasser als der vorige, immer unschärfer werdend, bis sie mit dem Himmel verschmolzen.
Kein Wunder, dass Lord Fujiwara diese
Weitere Kostenlose Bücher