Der Glanz des Mondes
muss ich Sie fragen, ob Sie schwanger sind.«
»Und wenn ich es wäre?«
»Würden wir es beseitigen.«
Als Kaede vor Entsetzen aufschrie, fuhr er fort: »Lord Fujiwara macht Ihnen bereits große Zugeständnisse. Er hätte Sie für Ihre Untreue töten lassen können. Er wird Ihnen vergeben und Sie heiraten, aber er wird seinen Namen nicht für das Kind eines anderen Mannes hergeben.«
Ihre Antwort war nichts als ein erneutes Aufschluchzen. Die Mädchen kehrten mit den Kräutern und dem Teekessel zurück und Ishida bereitete den Aufguss.
»Trinken Sie das«, sagte er zu Kaede. »Es wird Sie beruhigen.«
»Und was ist, wenn ich mich weigere?« Sie setzte sich abrupt auf, riss ihm die Schale fast aus der Hand und hielt sie eine Armlänge von sich entfernt, als wollte sie ihren Inhalt über dem mit Matten ausgelegten Boden ausgießen. »Was ist, wenn ich Essen und Trinken verweigere? Wird er eine Leiche heiraten?«
»Damit würden Sie Ihre Schwestern zum Tode verurteilen - oder Schlimmeres«, sagte er. »Es tut mir Leid; die Situation bereitet mir weder Freude, noch bin ich stolz auf die Rolle, die ich dabei spiele. Alles, was ich tun kann, ist, vollkommen ehrlich zu Ihnen zu sein. Wenn Sie sich dem Willen Seiner Lordschaft fügen, bewahren Sie sich Ihre Ehre und schützen das Leben Ihrer Schwestern.«
Sie starrte ihn eine ganze Weile an. Langsam setzte sie die Schale an ihre Lippen. »Ich bin nicht schwanger«, sagte sie und trank den Tee in einem Zug.
Ishida blieb bei ihr sitzen, während ihre Sinne sich einzutrüben begannen, und als sie ruhig war, wies er die Mädchen an, sie ins Badehaus zu bringen und ihr das Blut abzuwaschen.
Als sie gebadet und angekleidet war, hatte das Gebräu ihren Kummer betäubt und der kurze grausame Zwischenfall erschien ihr wie etwas, was sie geträumt hatte. Am Nachmittag schlief sie sogar ein wenig, hörte - wie aus einer anderen Welt - den Gesang der Priester, der das Haus von der Verunreinigung des Todes reinwaschen und seinen Frieden und seine Harmonie wiederherstellen sollte. Als sie erwachte und sich in dem vertrauten Raum wiederfand, hatte sie die vergangenen Monate für einen Moment vergessen. Ich bin bei Fujiwara, dachte sie. Wie lange wohl schon? Ich muss Shizuka rufen und sie fragen.
Dann kehrte ihre Erinnerung wieder zurück, wenn auch kraftlos, als ein dumpfes Wissen um das, was ihr so gewaltsam entrissen worden war.
Die Dämmerung brach herein, das kühle Ausklingen eines langen, schwülen Tages. Sie hörte die gedämpften Schritte der Dienerschaft und ihre flüsternden Stimmen. Eins der Hausmädchen brachte ein Tablett mit einer Mahlzeit. Kaede stocherte lustlos darin herum, der Geruch von Essen verursachte ihr Übelkeit und nach kurzer Zeit verlangte sie, dass man es wegbrachte.
Das Mädchen kehrte mit Tee zurück, gefolgt von einer anderen Frau, etwa mittleren Alters, mit kleinen scharfen Augen und strengem Blick, die, ihrer eleganten Kleidung und vornehmen Art nach zu urteilen, nicht zur Dienerschaft gehörte. Sie verneigte sich vor Kaede bis zum Boden und sagte: »Ich bin Ono Rieko, eine Cousine von Lord Fujiwaras verstorbener Frau. Ich habe viele Jahre im Haushalt der Lady verbracht. Seine Lordschaft hat mich holen lassen, um alles für die Hochzeitszeremonie vorzubereiten. Bitte nehmen Sie mich freundlich auf.« Wieder verbeugte sie sich formvollendet bis zum Boden.
Kaede verspürte eine instinktive Abneigung gegen die Frau, die vor ihr kniete. Ihre Erscheinung war nicht unangenehm - sie konnte sich auch nicht vorstellen, dass Fujiwara Menschen in seiner Nähe geduldet hätte, die nicht attraktiv gewesen wären -, doch sie spürte sowohl den Hochmut als auch die Niederträchtigkeit ihres Charakters.
»Bleibt mir eine andere Wahl?«, erwiderte Kaede kalt.
Rieko setzte sich auf und stieß dabei ein kurzes trillerndes Gelächter aus. »Ich bin mir sicher, dass Lady Shirakawa ihre Meinung über mich ändern wird. Ich bin nur eine sehr gewöhnliche Person, aber es mag einige Dinge geben, bei denen ich Ihnen raten kann.« Sie goss den Tee ein. »Dr. Ishida möchte, dass Sie eine Tasse hiervon trinken. Und da es die erste Nacht des neuen Mondes ist, wird Lord Fujiwara bald kommen, um Sie zu begrüßen und sich zusammen mit Ihnen den neuen Mond anzuschauen. Trinken Sie Ihren Tee, dann sorge ich dafür, dass Ihr Haar und Ihre Kleidung angemessen sind.«
Kaede trank in kleinen Schlucken, bemüht, den Tee nicht hinunterzustürzen, denn sie hatte schrecklichen
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