Der Glanz des Mondes
rief sie Amano zu und versuchte Raku herumzureißen, doch Murita hielt das Zaumzeug fest. Sie beugte sich vor, zog ihr Schwert und trieb das Pferd an, sich aufzubäumen. Es schüttelte die Hand des Mannes ab, erhob sich auf die Hinterbeine und schlug mit den Vorderhufen. Kaede hieb von oben auf Murita ein und sah, wie ihre Klinge in seine Hand schnitt. Er brüllte vor Wut auf und zog ebenfalls sein Schwert. Sie dachte, er würde sie töten, doch er griff wieder nach dem Zaumzeug und zerrte Rakus Kopf nach unten. Sie nahm wahr, wie hinter ihr ein anderes Pferd zu springen und auszuschlagen begann, Hiroshis Rotschimmel, der in Panik geriet. Mamoru zog an ihren Kleidern, erhob seine Stimme und bat sie, sich zu ergeben. Hinter ihm konnte sie Amano sehen. Sein Schwert war gezogen, doch bevor er zum Schlag ausholen konnte, traf ein Pfeil ihn in die Brust. Sie sah den Moment des Schocks in seinen Augen, dann quoll mit jedem Atemzug Blut aus seinem Mund und er kippte nach vorn.
»Nein!«, schrie sie. Im selben Moment stieß Murita in frustriertem Zorn sein Schwert hinauf in Rakus ungeschützte Brust. Das Pferd schrie vor Schmerz und Angst ebenfalls auf und sein helles Blut schoss hervor. Während es zu taumeln begann, mit schwankenden Beinen und hängendem Kopf, packte Murita Kaede und versuchte sie vom Rücken des Tieres zu ziehen. Sie hieb ein zweites Mal auf ihn ein, aber das Pferd brach zusammen, riss sie mit sich nach unten und ihr Schlag verlor an Kraft. Murita bekam ihr Handgelenk zu fassen und entwand ihr mühelos das Schwert. Halb zerrte, halb schleppte er sie Richtung Haus, ohne dabei ein Wort zu verlieren.
»Helft mir, helft mir!«, rief sie und versuchte den Kopf zu drehen und zu ihren Männern zurückzublicken, doch der schnelle, heftige Angriff hatte sie alle niedergestreckt, tot oder sterbend lagen sie am Boden. »Hiroshi!«, schrie sie und hörte das Schlagen von Hufen. Das Letzte, was sie sah, bevor Murita sie hineintrug, war der durchgehende Rotschimmel, der den Jungen gegen seinen Willen davontrug. Es war zumindest ein winziger Trost.
Murita durchsuchte sie nach weiteren Waffen und fand ihr Messer; seine Hand blutete stark und die Wut ließ ihn grob mit ihr umgehen. Mamoru rannte vor ihnen her und öffnete Türen, während Murita sie bis in den Gästeraum trug. Als er sie losließ, fiel sie zu Boden, schluchzend vor Zorn und Gram.
»Raku! Raku!« Der Schmerz war so stark, als wäre das Pferd ihr eigenes Kind gewesen. Und sie weinte um Amano und die anderen Männer, die sie in den Tod geführt hatte.
Mamoru kniete plappernd neben ihr: »Es tut mir Leid, Lady Shirakawa. Sie müssen sich fügen. Niemand wird Ihnen wehtun. Glauben Sie mir, wir alle hier lieben und verehren Sie. Bitte beruhigen Sie sich doch.«
Als sie nur umso verzweifelter weinte, wandte er sich an die Dienstmädchen: »Verständigt Ishida.«
Wenige Minuten später bemerkte sie die Gegenwart des Arztes. Er kniete neben ihr und sie hob den Kopf, strich ihr Haar beiseite und blickte ihn mit leidendem Blick an.
»Lady Shirakawa…«, begann er, doch sie schnitt ihm das Wort ab.
»Mein Name ist Otori. Ich bin verheiratet. Was ist dies für eine Schandtat? Sie werden doch nicht zulassen, dass man mich hier behält. Sie müssen ihnen sagen, dass sie mich unverzüglich gehen lassen sollen.«
»Ich wünschte, ich könnte es«, sagte er leise. »Aber wir alle hier richten unser Leben nach dem Willen Seiner Lordschaft aus, nicht nach unserem eigenen.«
»Was will er von mir? Warum hat er das getan? Er hat meine Schwestern entführt, meine Männer ermordet!« Wieder liefen ihr die Tränen das Gesicht hinunter. »Er hätte mein Pferd nicht umzubringen brauchen.« Schluchzer schüttelten sie.
Ishida trug den Dienstmädchen auf, Kräuter aus seinem Haus zu holen und ihm heißes Wasser zu bringen. Dann untersuchte er sie behutsam, sah ihr in die Augen und fühlte ihr den Puls.
»Vergeben Sie mir«, sagte er. »Aber ich muss Sie fragen, ob Sie ein Kind erwarten.«
»Wozu müssen Sie das wissen? Das ist nichts, was Sie etwas anginge!«
»Seine Lordschaft beabsichtigt, Sie zu heiraten. Er ist der Auffassung, dass Sie ihm versprochen wurden. Er hatte bereits die Einwilligung des Kaisers eingeholt, ebenso Lord Arais.«
»Wir waren nie verlobt«, schluchzte Kaede. »Ich bin mit Otori Takeo verheiratet.«
»Ich kann diese Dinge nicht mit Ihnen erörtern«, erwiderte Ishida sanft. »Sie werden Seine Lordschaft in Kürze sehen. Aber als Ihr Arzt
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