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Der Glanz des Mondes

Der Glanz des Mondes

Titel: Der Glanz des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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fielen mir wieder ein und erinnerten mich daran, dass meine Gefolgsleute, all jene, die mich unterstützten, es schließlich aus freien Stücken taten. Ich musste meinen Kummer vergessen und meine Ziele weiterverfolgen, damit ihr Tod nicht umsonst gewesen war. Und auch die Worte, die Shigeru in einem kleinen Dorf namens Hinode, auf der anderen Seite der Drei Länder, zu mir gesprochen hatte, kamen mir wieder in den Sinn.
    Nur die Kinder weinen. Männer und Frauen müssen es ertragen.
    Wir planten unsere Abreise für den folgenden Tag, doch an diesem Nachmittag gab es einen leichten Erdstoß, stark genug, um die Windspiele erklingen zu lassen und die Hunde zum Bellen zu bringen. Am Abend folgte ein zweiter, diesmal heftiger. In einem Haus, ein Stück weiter die Straße hinauf, in der wir wohnten, fiel eine Lampe um und ein Feuer brach aus. Wir brachten fast die ganze Nacht damit zu, den Leuten in der Stadt dabei zu helfen, es unter Kontrolle zu bringen. Die Folge war eine weitere Verspätung von einigen Tagen.
    Als wir aufbrachen, war ich fast wahnsinnig vor Ungeduld, Kaede endlich wiederzusehen. Sie ließ mich Richtung Maruyama hasten, morgens früh aufstehen und die Pferde bis spät in die Nacht unter dem abnehmenden Mond antreiben. Wir schwiegen die meiste Zeit; für das lockere, scherzhafte Geplauder, mit dem wir losgeritten waren, wurde Jiros Anwesenheit zu heftig vermisst. Zudem hatte ich eine vage dunkle Vorahnung, von der ich mich einfach nicht mehr befreien konnte.
    Es war bereits zur fortgeschrittenen Stunde des Hundes, als wir die Stadt erreichten. Die meisten Häuser hatten bereits die Lichter gelöscht und das Tor des Schlosses war verriegelt. Die Wachen begrüßten uns herzlich, wodurch meine Unruhe sich jedoch nicht legte. Ich sagte mir, dass ich nach der eintönigen Reise einfach nur müde und gereizt war. Ich wollte ein heißes Bad, eine gute Mahlzeit und mit meiner Frau schlafen. Aber ihre Dienerin Manami erwartete mich am Eingang der Residenz, und als ich ihre Miene sah, wusste ich sofort, dass irgendetwas nicht stimmte.
    Ich sagte ihr, sie solle Kaede von meiner Rückkehr unterrichten, und sie fiel auf die Knie.
    »Sir… Lord Otori…«, stammelte sie, »sie ist nach Shirakawa geritten, um ihre Schwestern abzuholen.«
    »Was?« Ich konnte nicht glauben, was ich da hörte. Kaede war allein abgereist, ohne mir etwas zu sagen oder mich zu fragen? »Wie lange ist das her? Wann wird sie zurückerwartet?«
    »Sie reiste kurz nach dem Totenfest ab.« Manami sah aus, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. »Ich will Ihre Lordschaft ja nicht beunruhigen, aber sie müsste längst wieder hier sein.«
    »Warum hast du sie nicht begleitet?«
    »Sie hat es einfach nicht zugelassen. Sie wollte reiten, sich beeilen, um vor Ihrer Rückkehr wieder hier zu sein.«
    »Zünde die Lampen an und schicke jemanden, der Lord Sugita herholt«, sagte ich, aber offenbar hatte er bereits von meiner Ankunft erfahren und war auf dem Weg.
    Ich betrat die Residenz. Mir war, als hinge Kaedes Duft noch immer in den Räumen. Die schönen Zimmer, geschmückt mit Wandbehängen und bemalten Wandschirmen, waren genau so geworden, wie sie sie entworfen hatte. Die Erinnerung an Kaede war allgegenwärtig.
    Manami hatte die Mädchen angewiesen, Lampen zu bringen, und ihre dunklen Silhouetten bewegten sich lautlos durch die Räume. Eine von ihnen näherte sich und flüsterte mir zu, dass das Bad fertig sei, aber ich sagte ihr, dass ich erst mit Sugita sprechen würde.
    Ich ging in Kaedes Lieblingszimmer und mein Blick fiel auf den Schreibtisch, wo sie so oft gekniet hatte, um die Aufzeichnungen über den Stamm zu kopieren. Die Holzkiste, in der sie aufbewahrt wurden, stand sonst immer neben dem Tisch; sie war nicht da. Ich fragte mich gerade, ob sie die Kiste wohl versteckt oder mitgenommen hatte, als das Mädchen mir die Nachricht überbrachte, dass Sugita eingetroffen sei.
    »Ich habe Ihnen meine Frau anvertraut«, sagte ich. Ich war jenseits aller Wut, nur kalt bis in die Tiefen meiner Seele. »Wie konnten Sie ihr erlauben zu gehen?«
    Er zeigte sich überrascht angesichts meiner Frage. »Vergeben Sie mir«, sagte er. »Lady Otori bestand darauf zu reisen. Sie hat viele Männer mitgenommen, angeführt von Amano Tenzo. Mein Neffe, Hiroshi, ist ebenfalls mitgeritten. Es war eine Vergnügungsreise, um ihre Familie zu besuchen und ihre Schwestern herzuholen.«
    »Warum ist sie dann nicht zurückgekehrt?« Das alles klang harmlos;

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