Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
ohne ein Wort zu sagen. Im Haus legte Aldo Marcus aufs Sofa. Elena versuchte, mit ihrem Sohn zu sprechen, aber es kamen nur unzusammenhängende Antworten von ihm.
»Das ist nicht gut, Aldo. Irgendwas stimmt da nicht.«
Selbst Aldo schien jetzt ein wenig besorgt. »Ruf die Fliegenden Ärzte über Funk«, schlug er vor.
Elena geriet in Panik. Lyle war nun wirklich der Letzte, den Aldo kennenlernen sollte. »Es dauert zu lange, bis die hier sind. Können wir ihn nicht ins Krankenhaus bringen?«, fragte sie in ihrer Not. »Das ginge schneller.«
»Der Wagen holpert sehr, und langsam ist er auch«, sagte Aldo. »Aber wenn du das für das Beste hältst, spanne ich das Pferd an.«
»Ja«, sagte Elena. »Ich hole etwas Weiches, damit wir Marcus darauflegen können.«
Dr. Thompson war relativ sicher, dass Marcus einen Krampfanfall hatte und dann, als er um sich schlagend am Boden lag, von einem Pferd getreten worden war. »Es müssen spezielle Röntgenaufnahmen gemacht werden, aber das können wir hier nicht«, informierte er Aldo und Elena. »Ich denke, er sollte zum Röntgen ins Krankenhaus von Cloncurry.«
»Cloncurry«, sagte Elena und schaute verwirrt vom Arzt zu Aldo.
»Wie kriegen wir ihn in dem Zustand da hin?«, fragte Aldo.
»Die Fliegenden Ärzte werden ihn abholen«, antwortete Neil.
Elenas Herz setzte beinahe aus. Sie sank auf einen Stuhl neben Marcus. Er war nicht mehr ganz so benommen, aber er hatte starke Kopfschmerzen. Neil war überzeugt davon, dass der Grund eine Gehirnerschütterung war.
»Wenn es denn sein muss, dann muss es eben sein«, sagte sie niedergeschlagen.
Jetzt war nur noch wichtig, dass Marcus wieder gesund wurde. Sie befürchtete immer noch eine Hirnblutung, was auch Neil nicht für unwahrscheinlich hielt, also wollten sie ihn unter genauester Beobachtung behalten.
Aldo brachte Dominic und Maria mit dem Pferdewagen zu Luisa und Luigi und fuhr zurück nach Barkaroola. Elena blieb bei Marcus im Krankenhaus. Die Fliegenden Ärzte wurden verständigt, und man versprach, Marcus werde gleich früh am Morgen abgeholt. Mrs. Montgomery war sich nicht sicher, welcher der beiden Ärzte vom Service kommen würde. Es hing davon ab, was die beiden jeweils zu tun hatten.
Elena hoffte inständig, es wäre nicht Lyle. Sie lief zu ihren Eltern, um zu berichten, was passiert war, dann kehrte sie wieder ins Krankenhaus zurück. Sie saß die ganze Nacht am Bett ihres Sohnes und machte kein Auge zu.
26
Millie hatte eine Passage für die Überseefahrt des Ozeandampfers S. S. Orontes gebucht. Kaum waren sie aus dem Hafen von Southampton ausgelaufen, wurde sie schon seekrank. Während der nächsten zehn Tage dachte sie, sterben zu müssen, auch wenn ihr der Schiffsarzt täglich versicherte, das werde nicht passieren. Sie konnte nur noch denken, dass sie mit dieser Schiffsreise ans andere Ende der Welt auf der Suche nach Lyle einen schrecklichen Fehler gemacht hatte, denn er würde nun nie mehr davon erfahren, weil sie auf See bestattet würde. Millie betete um ein Wunder, und das stellte sich schließlich ein, als sie auf dem Weg in die südliche Hemisphäre den Äquator überquerten und sie seefest wurde. Mit dem wärmeren Wetter und der wiedergefundenen Gesundheit stellte sich auch wieder die Entschlossenheit ein, ihren Ehemann zurückzugewinnen. Von dem Moment an genoss Millie die Reise.
An Bord der Orontes befand sich auch das englische Kricketteam mit dem charismatischen Mannschaftskapitän Douglas Jardine, und so war die Stimmung unter den auswandernden Passagieren patriotisch hoch. Es gab ständig Partys und somit nie einen langweiligen Moment. Das Team war auf dem Weg zu einem Rückspiel in Australien, um eine empfindliche Schlappe wiedergutzumachen, die die Engländer zwei Jahre zuvor durch das australische Team erlitten hatten; damals war Schläger Donald Bradman verantwortlich dafür, dass seine Mannschaft gut tausend Läufe in dem Match errungen und so sensationell die Trophäe im regelmäßig zwischen Australien und England ausgetragenen Kampf eingeheimst hatte. Die Saison 1932 bekam den unrühmlichen Beinamen Bodyline Tour, denn die englischen Werfer hatten sich die zwar nicht verbotene, aber auch moralisch nicht ganz einwandfreie Strategie zurechtgelegt, auf den Schlagmann statt auf das Mal zu zielen.
Nachdem Millie in Brisbane von Bord gegangen war, bestieg sie die viel kleinere S. S. Mary-Kaye , ein Frachtschiff, das entlang der australischen Küste auch Passagiere
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