Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
mir mit, sie sei schwanger. Ich war am Boden zerstört, aber mir war klar, ich musste mich meinem Kind zuliebe anständig verhalten. Ich trennte mich von Elena, um Millie zu heiraten, aber so schwer ist mir nie etwas im Leben gefallen. Natürlich wusste ich nicht, dass Elena auch schwanger war. Vielleicht wusste sie es zu dem Zeitpunkt ja auch noch nicht. Sie hatte sich mit der Spanischen Grippe angesteckt, als ich in Schottland war, das hat es vielleicht erschwert, die Anzeichen zu erkennen.«
»Aber als sie Aldo heiratete, hat sie doch bestimmt gewusst, dass sie dein Kind erwartete«, sagte Alison. Es war eher Feststellung als Vorwurf, aber es brachte sie dazu, über Elenas Charakter nachzudenken.
»Ihre Eltern sind strenggläubige italienische Katholiken. Aldo ist offensichtlich einige Jahre älter als Elena und auch Italiener, also kannst du beinahe sicher sein, dass ihr Vater die Ehe mit ihm arrangiert hat. Ich nehme an, dass sie zu dem Zeitpunkt viel zu viel Angst davor hatte, den Eltern oder Aldo die Wahrheit zu sagen. Anständige italienische Mädchen lassen sich nicht einfach so ein Kind anhängen.«
»Die Wahrheit wäre womöglich nie ans Licht gekommen, hätte Millie nicht Aldo aufgesucht«, bemerkte Alison schließlich.
»Eines ist mir wirklich ein Rätsel, Alison. Wie hat Millie bloß die Wahrheit herausgefunden, da nicht einmal ich eine Ahnung hatte?«
»Hat sie je erfahren, dass du dich vor deiner Ehe mit Elena getroffen hast?«
»Nicht dass ich wüsste. Aber einer der Ärzte, mit denen ich in Blackpool in derselben Pension wohnte, stammte auch aus Dumfries. Alain McKenzie kannte Millie und ihre Familie gut. Er wusste auch, dass ich eine Beziehung mit Elena hatte. Vielleicht hat er es Millie ja erzählt.«
»Da hast du so einiges, worüber du jetzt nachdenken musst, Lyle«, sagte Alison.
»Ja«, erwiderte er. »Ich fasse es immer noch nicht, dass ich wieder einen Sohn habe.«
»Willst du eine Beziehung zu ihm aufbauen?«
Lyle dachte einen Moment nach. »Ich war Vater mit Leib und Seele, Alison. Und als ich Jamie verlor, war ich am Boden zerstört, ich glaube kaum, dass ich darüber je hinwegkomme. Mir ist, als hätte mir Gott ein Geschenk gemacht, einen zweiten Sohn. Ich kann immer noch kaum glauben, was für ein wunderbarer Junge Marcus ist. Aber er sieht in Aldo seinen Vater, und ich bezweifle, dass sich das je ändern wird.«
»Es wird für alle eine schwierige Zeit. Du musst einfach abwarten und sehen, was passiert«, sagte Alison verständnisvoll.
»Ich weiß, ich werde Geduld haben müssen«, erwiderte Lyle. Es war für Alison auch nicht einfach, und er war dankbar, dass sie so mitfühlend reagierte. »Aber ich hoffe, dass Marcus und ich eines Tages eine Beziehung zueinander aufbauen können.«
»Willst du mich immer noch heiraten, Lyle?«, frage Alison unvermittelt.
»Natürlich will ich das«, antwortete Lyle, den die Frage überraschte. »Wieso sollte ich nicht?«
»Dein Leben wird sich in absehbarer Zeit verändern, und ich frage mich nur, wo in deinem neuen Leben ich einen Platz haben werde.«
Lyle sah Alison an. »Du bist ein ganz besonderer Mensch, Alison, und du warst mir eine sehr große Hilfe. Ich will nicht, dass du dir Sorgen machst«, sagte er. »Vielleicht ändert sich mein Leben ja gar nicht so sehr, wie du vermutest.«
Blind vor Tränen stolperte Elena über die steinige Straße nach Barkaroola. Als sie schließlich das kaputte Tor zur Auffahrt der Farm erreichte, war es schon dunkel, und sie war körperlich völlig erschöpft. Von Weitem sah sie einen Lichtschein in einem der Ställe, und so wusste sie, dass Billy-Ray noch da war, doch das Haus lag im Dunkeln.
Langsam ging Elena auf die Veranda zu, lief die Stufen hinauf und trat ein. Im Haus machte sie eine Laterne an. Sie musste Feuer machen und etwas trinken. Elena schenkte sich gerade ein Glas Wasser ein, als sie Schritte auf der Veranda hörte.
»Wie geht’s dem Boss, Missus?«, fragte Billy-Ray, kaum dass sie die Tür geöffnet hatte.
»Ich habe nicht noch einmal nach ihm gesehen, Billy-Ray«, sagte Elena. »Ich war bei meinen Eltern zu Hause.«
»Ich hab den Lieferwagen nicht die Auffahrt raufkommen hören, Missus.«
»Ich bin zu Fuß gekommen«, erklärte Elena.
»Das ist ein langer Fußmarsch, Missus«, sagte Billy-Ray, der sich wunderte, wieso ihr Vater oder ihre Mutter sie nicht nach Hause gefahren hatte, aber er war zu höflich, zu fragen.
»Ja«, gab Elena zurück. »Danke, dass du so lange
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