Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
Theke.
Elena war verblüfft und schwieg einen Moment lang. Ihr Vater nahm die Pfundnote, die sie hingelegt hatte, und legte einen Zehn-Shilling-Schein und ein paar kleinere Münzen neben das Fleisch. »Das Bratenfleisch ist im Angebot diese Woche«, erklärte er ernst. In die Augen schaute er seiner Tochter dabei nicht.
»Danke«, sagte Elena und nahm das Wechselgeld, ehe sie den Laden verließ.
Luigi griff nach der Pfundnote, mit der Elena bezahlt hatte, und setzte seine Brille wieder auf. Dann besah er sich den Geldschein genauer. Auf der einen Seite stand nichts, aber als Luigi den Schein umdrehte, entdeckte er zwei Worte. Verzeih mir . Er seufzte vernehmlich.
Elena war schon wieder halb zu Hause, als sie die Münzen, die sie in der Hand hielt, ins Portemonnaie steckte. Dann musterte sie den Zehn-Shilling-Schein, den ihr Vater ihr als Wechselgeld gegeben hatte. Sie blieb wie angewurzelt stehen, und die Tränen strömten ihr übers Gesicht. Auf dem Geldschein standen die vier Worte, auf die sie gehofft hatte. Ich hab dich lieb . Ihr Herz jubelte vor Freude.
Als Luisa am Abend vorbeikam, sah sie gleich, dass etwas an ihrer Tochter anders war. »Ist Aldo endlich zur Vernunft gekommen, Elena?«, fragte sie.
»Nein, Mamma. Aber Papà hat mich immer noch lieb«, erklärte sie freudestrahlend.
Luisa war überrascht. »Hast du mit ihm gesprochen?«, fragte sie. Sie nahm den Bratengeruch wahr, aber sie hatte Elena am Tag zuvor kein Bratenfleisch mitgebracht.
»Nicht so direkt, Mamma. Aber ich weiß, dass er mich immer noch liebt, und das genügt mir.«
»Woher … woher willst du das wissen, Elena?« Luisa freute sich für ihre Tochter, aber sie verstand das alles nicht.
Elena holte den Geldschein hervor und zeigte ihn glücklich strahlend ihrer Mutter. Ungläubig schaute Luisa darauf. »Dein Papà … hat das geschrieben?«, fragte sie.
Luigi war kein Mann, der seine Gefühle zu erkennen gab, also mochte sie das kaum glauben. Sie meinte, Elena habe da etwas missverstanden. Die auf den Geldschein gekritzelte Botschaft musste von jemand anderem stammen und für jemand anderen bestimmt sein.
»Ja, Mamma. Ich habe auf eine Pfundnote Verzeih mir geschrieben und damit Fleisch bei ihm bezahlt. Als ich aus dem Laden kam, sah ich das.«
Luisa bekreuzigte sich und sprach ein Gebet. Wenn sie emotional betroffen war, sprach sie immer Italienisch. Elena sah ihre Mutter voller Zuneigung an. Luisa brach in Tränen aus und umarmte ihre Tochter. Als sie sich die Augen getrocknet hatte, sah sie, dass das Strahlen, das Luisa so lange nicht mehr auf dem Gesicht ihrer Tochter gesehen hatte, wieder erloschen war.
»Jetzt muss nur noch mein Sohn mir verzeihen«, sagte Elena.
Luisa nickte traurig. Marcus hatte bisher durch nichts zu erkennen gegeben, dass er seiner Mutter vergab.
40
Während der Zeit, in der Aldo im Winton Hospital lag, erkundigte Lyle sich immer, wenn Alison und er einen Patienten brachten, nach Elenas Mann. Meist fragte er Deirdre, da sie sich vorwiegend um Aldo kümmerte. Deirdre fand den attraktiven Dr. MacAllister zugänglich, offen und freundlich, und sie war vom weiblichen Krankenhauspersonal nicht die Einzige, die sich auf Lyles Besuche freute. Dass Aldo Corradeo einen plötzlichen intensiven Abscheu Lyle gegenüber entwickelt hatte, verblüffte Deirdre völlig, zumal Lyle Aldos Sohn mit so besonderem Interesse behandelt und scheinbar die Ursache für seine Krankheit gefunden hatte. Aldo gab seiner Frau die Schuld daran, dass er nie wieder würde laufen können, das hatte sie mitbekommen. Er behandelte sie sehr unfreundlich. Deirdre schrieb das der Niedergeschlagenheit wegen seines Zustands zu. Doch wieso reagierte Aldo derart heftig auf Lyle? So vertraut sie und Lyle allerdings inzwischen miteinander auch waren, so wusste sie doch, dass es einer Krankenschwester nicht zustand, persönliche Fragen zu stellen.
Lyle erkundigte sich nicht nur nach Aldo, er fragte auch immer nach Marcus. Selbst jetzt noch, da Aldo längst entlassen war, wollte er wissen, wie der Gesundheitszustand des Jungen war, ob Deirdre ihn gesehen hatte und wie es ihm allgemein ging. Manchmal erkundigte er sich auch nach Elena.
»Wie schön, dass Sie solch ein großes Interesse an Ihren kleinen Patienten haben«, sagte Deirdre. »Marcus schien Sie sehr lieb gewonnen zu haben, als er im Krankenhaus war.«
»Er ist ein ganz besonderer Junge«, erwiderte Lyle, der sich Mühe gab zu verbergen, was er für den Jungen wirklich empfand.
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