Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
traurig. »Er ist genauso stur wie dein Mann. Vielleicht sogar noch sturer. Ich sehe, dass ihm das schwer zu schaffen macht, aber er würde sich lieber einen Arm abhacken, als das zuzugeben. Männer und ihr dämlicher männlicher Stolz!«
In der Nacht lag Elena wach und grübelte. Sie machte sich Sorgen um Aldo und darüber, ob sie das Richtige getan hatte. Vor ihrem geistigen Auge sah sie ihn aus dem Rollstuhl fallen und nicht wieder aufstehen können. Die Sorge um ihn machte das reinste Nervenbündel aus ihr. Sie dachte auch an Marcus. Das Herz tat ihr weh, denn sie vermisste ihren ältesten Sohn so sehr. Sie fragte sich, ob Gott sie wohl für ihre Sünden bestrafte, aber andererseits wusste sie auch, dass sie allein die Verantwortung trug. Sie hatte ihren Vater durch ihre Lügen so enttäuscht. Elena betete, er möge sie eines Tages verstehen. Auch Lyle ging ihr nicht aus dem Kopf. Er hatte weit mehr als das übliche Maß an Kummer zu tragen, aber wenigstens bekam er sein Happy End.
Luigi verabschiedete sich gerade von einem Kunden, als Elena am Tag darauf seinen Laden betrat. Ungläubig musterte er sie, und seine Gesichtszüge wurden hart wie Stein. Er bemerkte die dunklen Ringe unter ihren Augen und war entsetzt darüber, wie dünn sie geworden war, aber das zeigte er nicht.
»Ich nehme ein Pfund Rindergehacktes«, sagte Elena und legte das Geld passend auf die Theke.
Luigi wollte ihr schon sagen, sie solle den Laden sofort verlassen, als eine seiner besten Kundinnen durch die Tür hereinkam.
»Guten Tag, Luigi. Hallo, Elena«, sagte Mrs. Foggarty fröhlich. Sie war die Frau des Bürgermeisters und hatte sieben Kinder zu ernähren, und so kaufte sie immer viel Fleisch. »Wie geht es Aldo, Elena? Es hat mir so leidgetan, als ich das von seinem Unfall hörte.«
»Es geht ihm so gut, wie man das erwarten kann, danke, Mrs. Foggarty«, antwortete Elena unbehaglich. Sie schaute ihrem Vater nicht in die Augen, aber sie sah zu, wie er das Rinderhackfleisch einwickelte und auf die Theke legte. »Danke, Papà«, sagte sie und verließ schnell den Laden.
Elenas Herz klopfte wie wild, als sie zurück in ihr Haus auf der Patterson Street ging. Doch sie hatte das Eis gebrochen, und sie war ein ganz kleines bisschen stolz auf sich.
Luigi fragte seine Frau nie, wie es seiner Tochter ging, aber sie erzählte immer mal wieder einem Kunden, der nach Elena fragte, von ihr, und so erfuhr Luigi, was sich im Leben seiner Tochter tat. Damit konnte er leben und seinen Stolz wahren.
Einen Tag später kam Elena wieder in den Laden. Diesmal bediente ihr Vater gerade eine Kundin, und so musste sie warten, bis sie an der Reihe war. Als er mit der Kundin fertig war, sah er Elena an.
»Ein Pfund Eintopfrindfleisch, bitte«, verlangte sie.
Es folgte ein Moment angespannten Schweigens, und Elena rechnete schon damit, er würde sie auffordern zu gehen, aber dann betrat wieder eine Kundin, Mrs. Marshall, den Laden. Luigi machte das Fleisch für Elena fertig, und während Mrs. Marshall laut überlegte, ob sie Würstchen nehmen sollte oder lieber Rindfleisch, legte Elena stillschweigend eine Pfundnote auf die Theke. Luigi wickelte ihr Fleisch ein, dann wünschte Elena Mrs. Marshall noch einen schönen Nachmittag und verließ den Laden.
Luigi bediente Mrs. Marshall, und als sie gegangen war, fiel sein Blick auf Elenas Pfundnote. Er wollte sie gerade in die Kasse legen, als ihm auffiel, dass auf dem Geldschein etwas geschrieben stand. Luigi stutzte und setzte seine Brille auf. Es tut mir leid, las er. Ein paar Sekunden starrte Luigi auf die Worte, ehe er begriff, dass seine Tochter sie geschrieben hatte. Eine einsame Träne lief ihm die Wange hinunter. Er wischte sie weg und zog die Nase hoch, doch das Herz tat ihm weh. Er vermisste Elena so sehr. Er hätte es ja nie im Leben laut gesagt, aber seine Wahl eines Ehemannes für seine Tochter war nicht die beste gewesen. Es hatte keinen glücklichen Tag für Elena gegeben, seit sie nach Australien gekommen waren. Dafür fühlte er sich verantwortlich. Jetzt, da ihr Mann im Rollstuhl saß und seine Familie nicht versorgen konnte, war ihr Leben noch schwerer geworden.
Als Elena das nächste Mal in den Laden kam, war Luigi allein.
»Ein Pfund Bratenfleisch bitte, Papà«, sagte sie. Wieder legte sie eine Pfundnote auf die Theke.
Luigi holte einen Rinderbraten, schnitt ein Stück ab und wickelte es ein. Er packte noch ein paar Würstchen dazu, dann legte er alles zusammen auf die
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