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Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)

Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)

Titel: Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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überglücklich, als er sah, dass ihm die Überraschung gelungen war. Für solche Momente lebte er.
    Aufgeregt zeigte Jamie seinen Großeltern das Rad, als sie zum Nachmittagstee ins Haus kamen. Tom und Jock sahen es mit glühendem Interesse an.
    »Das ist das beste Rad, das ich je gesehen habe!«, rief Jock.
    »Es ist wirklich ein prächtiges Rad«, fügte Tom hinzu, aber seinem Tonfall entnahm Lyle, dass er das Geschenk für übertrieben hielt, in einer Zeit, in der das Vereinigte Königreich sich in einem wirtschaftlichen Tief befand. Die amerikanische Wirtschaftskrise hatte mit dem Zusammenbruch der Börse im Jahr 1929 eingesetzt.
    Jamie konnte es gar nicht erwarten, seinen Freunden das Rad zu zeigen. Da es abends inzwischen länger hell war, fragte er seine Eltern, ob er noch zum Kricketspielen mit ein paar Jungen in den Park dürfe.
    »Es ist schon spät, Jamie«, meinte Millie ängstlich, als sie auf die Küchenuhr schaute.
    »Ein Weilchen können wir ihn doch noch rauslassen, oder, Mom?«, witzelte Lyle. »Du willst unbedingt dein neues Rad ausprobieren, hab ich Recht, Junge?«
    »Ja, Dad«, rief Jamie aufgeregt. Er sah zu seiner Mutter. » Bitte , Mom.«
    »Na schön«, sagte Millie zögerlich.
    »Versprich mir, dass du nicht auf der Straße fährst«, sagte Lyle zu Jamie, als der auf sein neues Rad sprang.
    Dieses Versprechen forderte er jedes Mal ein, wenn sein Sohn mit dem Rad rauswollte, aber Lyle machte sich tatsächlich Sorgen. Mit jeder Woche gab es mehr Autos auf den Straßen. Allein im vergangenen Jahr hatte sich die Zahl der Automobile verdoppelt.
    »Und sei ja zu Hause, ehe es dunkel wird«, ermahnte ihn Millie.
    Immer noch fiel es ihr schwer, wenn sie Jamie aus den Augen lassen musste, auch wenn er seit gut drei Jahren schon frei von Krampfanfällen war – alles was sie hatten tun müssen, war, seine Kalziumzufuhr zu erhöhen. Lyle und Millie waren so froh, als sie sahen, dass Jamie allmählich wieder selbstbewusster wurde, aber immer noch beobachteten sie ihn genau. Es war schwer für sie, die erschreckenden Krampfanfälle zu vergessen, besonders für Millie, die sich Mühe gab, ein bisschen großzügiger zu sein. Jamie war ihr einziges Kind, und für sie gab es keinen, der an ihren Jungen heranreichte. Sie war völlig vernarrt in ihn.
    »Und vergiss nicht, wir fahren morgen mit dem Boot raus«, erinnerte Lyle seinen Sohn.
    »Das vergesse ich schon nicht, ich kann es doch kaum abwarten«, sagte Jamie begeistert. Auf die Boots- und Angeltouren mit seinem Vater freute er sich immer sehr.
    Jamie versprach seinen Eltern, dass er sich an alles halten würde, und dann machte er sich mit ein paar Freunden auf den Weg. Unterwegs wollten sie sich mit drei weiteren Jungen treffen.
    »Du verwöhnst ihn«, brummte Tom, nachdem er Jamie beim Wegfahren nachgeschaut hatte. »Ein gebrauchtes Fahrrad wäre gut genug gewesen für ihn. Es ist nicht richtig, extravagante Anschaffungen zu machen, wenn die Zeiten für die einfachen Leute so hart sind.«
    Zweieinhalb Millionen Menschen waren arbeitslos in Großbritannien, nachdem als Notmaßnahme gegen die Depression Handelsschranken und Zölle festgesetzt worden waren. Die Auswirkungen auf die englischen Industriegebiete waren unverzüglich eingetreten und verheerend gewesen, was auch in Schottland zu spüren war.
    »Ich kann einfach nicht anders, Dad«, gab Lyle unumwunden zu. »Und außerdem – bei gut zehn Prozent Arbeitslosigkeit in Glasgow wusste der Ladenbesitzer den Verkauf eines Fahrrades durchaus zu schätzen.«
    Dagegen konnte Tom nichts sagen. In ganz Schottland und England standen Millionen Menschen Schlange an den Suppenküchen. »Das mag ja sein, aber du hast auch eine Verantwortung. Du solltest Zurückhaltung zeigen, wo doch so viele deiner Patienten große Mühe haben, überhaupt etwas zu essen auf den Tisch zu bringen.«
    »Jamie hat nur eine Kindheit, Dad. Ich will, dass er sie genießt. Außerdem ist die Lenkstange seines alten Rades verbogen. Ich will ja nur, dass er ein sicheres Fahrrad hat.«
    »Wahrscheinlich fällt er wieder hin und verbiegt auch die Lenkstange seines neuen, er fährt nämlich viel zu schnell«, beklagte sich Tom.
    Lyle grinste. Seit einiger Zeit bewegte sich sein Vater so langsam wie eine Schnecke fort, also strafte er alles, was sich schneller bewegte, mit Verachtung, sogar Frauen, die einen Kinderwagen schoben.
    »Ich sorge schon dafür, dass er nicht das Rad nimmt, wenn Bürgersteige und Straßen vereist sind«,

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