Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
eine Frau, die Amelia das Fliegen beibrachte. Haben Sie von Neta Snook gehört?«, fragte Alison.
»Nein«, antwortete Joan fasziniert.
»Amelia musste sich ihre Flugstunden selbst finanzieren, da ihre Eltern sich weigerten, das zu tun. Neta und Amelia kamen aus ähnlichen Verhältnissen, also freundeten sie sich schnell an. Neta war die erste Pilotin, die eine Flugschule besaß. Sie hatte eine Canuck restauriert.«
»Ich weiß, was das ist«, sagte Jack voller Stolz. Er war bei der Air Force gewesen. »Das ist ein altes kanadisches Schulflugzeug.«
»Genau«, sagte Alison lächelnd. »Und Amelia war die sechzehnte Frau, die eine Fluglizenz erhielt.«
»Wie interessant«, meinte Lyle, den Amelias Geschichte faszinierte. »Aber Sie werden uns doch jetzt nicht erzählen, dass Sie Flugstunden von Amelia Earhart erhielten, oder doch?«
»Nein, leider nicht. Sie war zu sehr damit beschäftigt, Geschichte zu schreiben. 1928 überquerte sie im Soloflug anlässlich ihrer Teilnahme an den National Air Races den Atlantik.«
»Darüber habe ich in der Zeitung gelesen«, sagte Joan. »Also wer hat Ihnen das Fliegen beigebracht? War es ein attraktiver Pilot?«
Wieder lachte Alison. Sie sah, dass Joan sehr romantisch veranlagt war. »Nein, das war Ruth Nichols. Auch sie war eine bemerkenswerte Dame. Nur wenige Wochen, nachdem Amelia 1922 ihren Höhenrekord über vierzehntausend Fuß aufgestellt hatte, brach sie diesen. Amelia hatte ihr Flugzeug übrigens ›Kanarienvogel‹ getauft. Tatsächlich handelte es sich um eine Kinner. Als eine Investition in eine Gipsmine sich als verheerend für Amelia erwies, verkaufte sie den Kanarienvogel und erwarb einen Kissel Speedster, ein Zweisitzer-Automobil, das sie die ›gelbe Gefahr‹ taufte. Im Jahr 1924 fuhr sie ihre Mutter mit diesem Automobil durch die USA. Sie starteten in Kalifornien, machten einen Abstecher nach Calgary, Alberta, und landeten schließlich in Boston, Massachusetts. Fahrten quer durchs Land in einem Automobil hatten Anfang der Zwanzigerjahre durchaus noch den Reiz des Neuen, und so erregte sie viel Aufmerksamkeit.«
»Das freut mich sehr für sie«, sagte Joan mit aufrichtigem Stolz auf ihre Geschlechtsgenossin. »Wie ist es mit Amy Johnson? Bewundern Sie die auch? Sie war doch die erste Frau, die von England aus einen Soloflug nach Australien absolvierte.«
»Ja, natürlich bewundere ich sie«, sagte Alison. »Das war eine beachtliche Leistung für eine Frau. Sie flog in einer Gipsy Moth, die sie ›Jason‹ getauft hatte, und unterbot den australischen Flugpionier Bert Hinkler um zwei Tage. Die Tour will ich eines Tages auch machen, aber ich habe noch keinen Namen für mein Flugzeug gefunden.« Wieder lachte Alison. »Harold vielleicht, oder Henrietta.«
»Sind Sie Amerikanerin?«, fragte Jack. »Sie scheinen viel zu wissen über Amelia Earhart und die Vereinigten Staaten.«
»Mein Vater ist Amerikaner, meine Mutter ist Engländerin«, antwortete Alison. »Wir haben abwechselnd in beiden Ländern gelebt.«
»Und abenteuerlustige Frauen bewundern Sie offenbar sehr«, fügte Jack hinzu.
»Hört sich ganz so an, als würden Sie in deren Fußstapfen treten, Miss Sweeney«, sagte Joan mit weiblichem Stolz.
»Das denke ich auch gern«, meinte Alison und lächelte Lyle an.
»Soll Amelia Earhart nicht in diesem Jahr als erste Frau einen Soloflug über den Atlantik absolvieren?«, fragte Jack. »Ich bin sicher, ich habe so etwas gelesen.«
»Nein, das hat sie schon getan«, meinte Lyle. »Es stand viel über einen Transatlantikflug, den sie durchgeführt haben soll, in den Zeitungen.«
»Es gab eine Atlantiküberquerung, aber Amelia fühlte sich gar nicht wohl dabei, dass man ihr den Flug zuschrieb. Ein Mann namens H. H. Railey wurde von dem New Yorker Verleger George Palmer Putnam aufgefordert, eine Frau ausfindig zu machen, die einen Transatlantikflug absolvieren würde. Zu dem Zeitpunkt hatte noch keine Frau den Atlantik überquert. Railey fand, Amelia hätte eine starke Ähnlichkeit mit Charles Lindbergh, und verpasste ihr den Spitznamen ›Lady Lindy‹. Als er sie George Palmer Putnam vorstellte, war der Verleger so beeindruckt, dass er beschloss, sie müsse diesen Flug absolvieren. Doch Amelia hatte keine Erfahrung im Umgang mit mehrmotorigen Maschinen oder mit dem Instrumentenflug. Wilmer Stultz und Louis Gordon lenkten die dreimotorige Fokker Friendship. Amelia erhielt den offiziellen Titel ›Flugzeugkommandantin‹.«
»Das war vor etwa vier
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