Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
nie begegnet. Sie eignen sich definitiv nicht für ein Leben auf einem Militärstützpunkt.«
»Und was ist mit Ihnen, Lyle? Wieso reisen Sie ganz allein nach Australien zu den Fliegenden Ärzten?«
Lyle wurde ernst. Einen Moment zögerte er, dann erzählte er Alison vom Verlust seines Sohnes und seines Vaters und davon, dass Millie und er sich auseinandergelebt hatten. »Ich muss einfach ein neues Leben anfangen, und ob nun Australien oder irgendein anderes Land, ist dabei ziemlich egal. Die Erinnerungen in Dumfries sind zu viel für mich.«
»Das verstehe ich gut, nach allem, was Sie durchgemacht haben.«
»Mein Vater und ich, wir standen uns besonders nah. Auch er war Arzt.«
»Wann ist er gestorben?«
»Vor ein paar Monaten. Ich konnte nicht mehr in Schottland bleiben. Als ich in der Zeitung einen Artikel darüber las, dass in Australien Fliegende Ärzte gesucht werden, schien mir das die ideale Lösung zu sein.«
Alison schaute Lyle ernst an und sah den Schmerz und die Verzweiflung in seinem Blick. Sie griff nach seiner Hand, drückte sie und sagte weiter nichts, aber das brauchte sie auch nicht. In dem Augenblick fühlte sich Lyle ihr näher, als er sich je mit Millie in all den Jahren ihrer Ehe gefühlt hatte.
Bald war das Schiff nur noch wenige Seemeilen von Australien entfernt. Dass er je wieder lachen könnte, hatte Lyle sich gar nicht vorstellen mögen, aber mit Alison vergaß er seine Sorgen und seinen Kummer immer wieder für eine Zeit lang. Er genoss ihre Gesellschaft sehr. Sie war so mutig und so extrovertiert. Lyle hielt Alison für furchtlos, und das bewunderte er an ihr. Ständig forderte sie ihn heraus bei Bordspielen wie Shuffleboard, und in der Regel schlug sie ihn. Sie schwammen im schiffseigenen Schwimmbecken, nachdem sie den Äquator überquert hatten und es wärmer wurde, und redeten stundenlang. Alison erwies sich als gute Zuhörerin. Und sie gab Lyle gute Ratschläge.
Es dauerte nicht lange, bis aus ihrer Freundschaft mehr wurde. Das kam für Lyle ganz unerwartet Als sie in Australien eintrafen, waren sie schon sehr vertraut miteinander. Lyle freute sich aufrichtig darauf, ein neues Leben beginnen zu können. Dass er bei der Arbeit und im täglichen Leben mit einer bewundernswerten Frau zusammen sein durfte, war ein unerwartetes zusätzliches Geschenk. Millie und sein Leben in Schottland verdrängte er in seinen Gedanken ganz weit nach hinten. Zum ersten Mal, seit er Jamie verloren hatte, hielt die Zukunft für Lyle wieder ein Fünkchen Hoffnung bereit.
18
»Ich sehe das Dach des Black-Wattle-Gehöfts«, schrie Lyle. Nur so konnte er sich über dem Motorengeräusch der DeHavilland Gehör verschaffen. Er reckte sich weit vor, um den Boden unterhalb der Victory , wie Alison die einmotorige Maschine nannte, zu sehen. »Da drüben, auf neun Uhr.«
Weite Flächen der Landschaft waren von rötlich brauner Farbe, aber Lyle sah auch Mitchell-Gras, auf dem Rinder und Schafe weideten, und Termitenhügel, so groß wie ein Mensch. Es gab Bereiche offenen Waldlandes, Akazien meist, und in der Ferne Bergketten und steinige Hügel. Auch wenn Lyle mittlerweile seit ein paar Wochen in Australien lebte, konnte er sich freuen wie ein Kind, wenn er Kängurus übers Land hüpfen sah oder Emus mit ihren niedlichen Jungen.
Das Wellblechdach der Farm war verrostet, und so war es in der sonnenverbrannten Landschaft schwer zu erkennen, aber Lyle glaubte, Zäune zu sehen und einige Außengebäude, was darauf hindeutete, dass sie das Heim der Familie Gaffney gefunden hatten.
Sie waren von Cloncurry aus gut hundertzehn Meilen in südwestlicher Richtung auf Dajarra zugeflogen.
»Ich wusste doch, mein Kompass würde mich nicht im Stich lassen«, rief Alison.
Sie schenkte Lyle ein strahlendes Lächeln. Die Kompasskoordinaten und einige markante Punkte in der Landschaft, von denen man ihr erzählt hatte, waren ihre einzigen Hinweise auf das Black-Wattle-Gehöft, und so war sie recht stolz auf sich, vor allem da die Farm kaum größer war als ein Sandkorn in der Tanamiwüste.
Manche Farmbesitzer malten den Namen der Farm in großen Buchstaben auf das Dach ihrer Häuser, was immer hilfreich war. Aber die australische Sonne brauchte nicht lange, um die Farbschicht aufplatzen und abblättern zu lassen. In solch einem Fall hatte ein Pilot nach Zuhilfenahme von Koordinaten und Kompass nur eine Möglichkeit, die betreffende Farm zu finden; er musste in der offenen Landschaft Meile um Meile Ausschau halten nach
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