Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
Wally.
Lyle konnte sich nicht vorstellen, was der Grund dafür war. Ob er die Aborigines gekränkt hatte? Er nahm an, dass sie Neuankömmlingen gegenüber einfach skeptisch waren.
»Wie kommt es, dass Sie so gut Englisch sprechen?«, fragte er.
Wally lächelte und zeigte diverse Zahnlücken. »Es ist eher so eine Art Pidgin-Englisch«, sagte er und lachte dann. »Ich bin Farmarbeiter, seit ich alt genug bin, auf ein Pferd zu klettern. Meinen letzten Job hatte ich auf einer Farm etwa hundert Meilen südlich von hier, aber jetzt bin ich zurück, denn mein Vater ist krank. Er ist Stammesältester der Kalkadoon. Man hat großen Respekt hier vor ihm.«
In dem Moment kam der Aborigine, der Lyle zum Stamm geführt hatte, erregt aus einer der Hütten auf Wally zugelaufen. Feindselig starrte er ihn an. Lyle fragte gleich, ob er der Grund für die Wut des Mannes sei.
»Ich gehe, wenn ich hier Probleme verursache«, bot er an.
»Sie sind das nicht, Doc«, sagte Wally. »Der Medizinmann vom Stamm hat versucht, meinem Vater zu helfen, aber es geht ihm immer schlechter. Die Leute vom Clan werden allmählich wütend und glauben nicht mehr an den Medizinmann. Sie denken, der Sturm ist die schlimme Strafe für das, was der Medizinmann mit meinem Vater gemacht hat. Weil sie wissen, dass Sie Arzt sind, haben sie Angst. Sie vermuten, dass Sie meinem Vater noch übleren Schaden zufügen.«
»Vielleicht kann ich Ihrem Vater ja helfen. Das würde ich gern versuchen.«
Wally wirkte hin und her gerissen. »Wenn Sie das nicht schaffen, Doc, kann ich nicht für Ihre Sicherheit garantieren.«
Lyle war verblüfft. »Ich riskiere es«, sagte er, wusste aber nicht, ob er sich wirklich klug verhielt. »Was ist denn los mit Ihrem Vater?«
»Sein Fuß ist geschwollen. Er ist doppelt so groß, wie er sein sollte, und er will nicht heilen. Der Medizinmann hier glaubt, er habe böse Geister in sich. Er hat es mit Magie probiert, aber nichts hat geholfen.«
»Darf ich Ihren Vater sehen?«
»Sicher dürfen Sie das.«
Wally rief dem Aborigine etwas zu, worauf einige der anderen Männer ebenfalls aus ihren Hütten kamen. Erregt diskutierten sie miteinander.
»Sie sind dagegen, nehme ich an«, sagte Lyle.
»Ja, aber ich gehe und frage meinen Vater. Wenn er sagt, Sie dürfen ihm helfen, dann ist es so. Sie warten hier«, fügte er hinzu.
Lyle wartete, aber ihm war mehr als unbehaglich zumute. Die Männer starrten ihn misstrauisch an. Er versuchte, ihren Blicken auszuweichen, indem er übers Land schaute, in die Richtung, in der sich das Flugzeug befand. Der Wind wehte nicht mehr ganz so heftig, aber immer wieder einmal fegte eine Böe übers Land, die den roten Staub gnadenlos aufwirbelte und ein Durchatmen kaum möglich machte. Lyle war klar, dass das lange Warten für Alison die Hölle sein musste, aber er hoffte, dass die Männer des Stammes ihm womöglich helfen würden, sollte er in der Lage sein, den Ältesten zu heilen.
Kurze Zeit später kam Wally zurück. »Mein Vater ist bereit, Sie zu empfangen«, sagte er.
Den anderen Männern rief er etwas zu, und gleich schlichen sie sich davon.
Wally führte Lyle zu einer Behausung, in der mehrere Frauen auf dem Boden neben einer Matratze saßen, auf der ein älterer Mann lag. In der Hütte brannte ein Feuer, und Staub wehte durch jede Ritze, so war die Luft alles andere als angenehm. Die Frauen wedelten dem Kranken Rauch zu. Er hustete.
Lyle war entsetzt. »Was geht denn hier vor?«, fragte er.
»Sie vertreiben die bösen Geister«, erklärte Wally.
»Ich weiß ja nichts von bösen Geistern, aber der Rauch tut seiner Gesundheit nicht gut«, sagte Lyle bestimmt.
Wally erklärte Lyle, der Name seines Vaters sei Arinya, und er spreche kein Englisch. Lyle lächelte den Mann an und kniete sich dann an den Rand der Matratze.
»Könnten Sie Ihren Vater bitte fragen, ob er mir erlaubt, seinen Fuß zu untersuchen?«, sagte er.
Lyle erkannte sofort, dass es dem alten Mann nicht gut ging. Ursache dafür waren sicher nicht allein Rauch und Staub. Er vermutete, dass die Infektion bereits in den Blutkreislauf übergegangen war, und das war nicht gut. Während Wally Lyles Bitte entsprach, löschte Lyle erst mal das Feuer. Sogar ihm brannte der Rauch schon in den Augen.
Als der Stammesälteste, ein schmächtig wirkender Mann mit grauem Haar und grauem Bart, den Fuß ausstreckte, erschrak Lyle. Der Fuß war immens angeschwollen, die Haut spannte sich so darüber, dass Lyle befürchtete, sie würde
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