Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
Steine und größere Felsblöcke, also grenzte es an ein Wunder, dass sie sicher gelandet waren.
Als eine kurze Windstille eintrat, legte sich der Staub ein wenig. Lyle stieg ebenfalls aus, und sie sahen sich in der Landschaft um.
»Da drüben scheint eine Art Siedlung zu sein«, sagte Alison und zeigte nach Westen. »Aber ich schätze, wir sind noch ein paar Meilen von Tintinarra entfernt, es muss also ein kleiner Aborigine-Stamm sein.«
Sie erkannten einige niedrige Hütten, die etwas heruntergekommen wirkten, aber Lebenszeichen sahen sie keine.
»Nach meinen Karten gibt es in dieser Gegend etliche Aborigine-Siedlungen«, sagte Lyle.
Alison wandte sich nach Südwesten. »Ich muss mal auf den Kompass sehen, aber ich glaube, Tintinarra liegt da drüben.« Plötzlich schrie sie auf.
»Was ist?«, fragte Lyle und drehte sich nach ihr um.
Durch den roten Staub, der um sie herumwirbelte, nahm er vage eine Menschengestalt wahr. Ein Aborigine. Er hielt einen Speer in der Hand, an dem eine große Eidechse aufgespießt war. Klebriges Blut lief den Speer und die Hand des Mannes herunter, was ihm ein furchterregendes Aussehen verlieh. Alison stand der Schreck im Gesicht geschrieben, aber sie konnte den Blick kaum von dem Mann lösen.
»Guten Tag«, sagte Lyle so freundlich er konnte.
Er hoffte, der Mann verstand ihn, wenn er ihn auf Englisch ansprach. Doch der Aborigine schwieg.
»Wir mussten notlanden … wegen des Staubs und des Sturms«, setzte Lyle hinzu. Unbewusst trat er vor Alison, eine Beschützergeste, für die sie ihm sehr dankbar war. »Ich bin beim Service der Fliegenden Ärzte«, fuhr Lyle fort. »Ich heiße Dr. Lyle MacAllister, und das ist meine Pilotin, Alison Sweeney.«
Er wich etwas zur Seite, um den Blick auf Alison freizugeben, die tapfer lächelte, obwohl sie innerlich vor Angst zitterte. Als keine Reaktion kam, duckte sie sich wieder hinter Lyle.
Der Mann schien sie in tiefer Versunkenheit zu mustern. »Du …«, sagte er und zeigte dann mit dem Speer auf Lyle. »Doktor?«
»Ja, das stimmt«, antwortete Lyle.
»Medizinmann?«
Lyle schätzte den Aborigine auf etwa vierzig Jahre. Seine Gesichtszüge wirkten noch jung, doch sein Haar war mit grauen Strähnen durchsetzt, auch sein Bart. Schuhe trug er nicht an den breiten Füßen, das einzige Kleidungsstück an seinem schlanken Körper waren zerschlissene Hosen, die bis knapp übers Knie reichten.
»Ja, genau«, sagte Lyle, auch wenn er sich einigermaßen sicher war, dass der Medizinmann eines Stammes nicht ganz dasselbe wie ein Allgemeinmediziner war. »Wir waren auf dem Weg zu einem Patienten auf der Tintinarra Farm, der sich das Bein gebrochen hat, aber die Windböen haben uns zum Landen gezwungen. Ist es noch weit bis Tintinarra?«
Der Aborigine musterte Lyle aus seinen dunklen Augen und blinzelte. »Da, weit, zehn Meilen«, sagte er verächtlich und zeigte nach Südwesten. Dann drehte er sich um.
»Warten Sie«, rief Alison in Panik. Sie kam hinter Lyle vor und musste husten, weil ihr beim Sprechen Staub in den Hals kam. Ihre Augen tränten. »In dieser Hitze und diesem Staub können wir unmöglich zehn Meilen zu Fuß gehen.«
Der Mann blieb stehen und musterte Alison erneut. Er tat es auf eine Weise, die vermuten ließ, dass Frauen in seiner Kultur als minderwertige Wesen angesehen wurden. Das machte sie wütend.
In aggressivem Ton rief er etwas in der Eingeborenensprache und deutete in Richtung Tintinarra. Er schien Lyle und Alison klarmachen zu wollen, dass er zehn Meilen ohne Probleme durch den Staub lief und sie das dann wohl auch konnten.
»Nein, nein«, rief Alison trotzig. »Wir können nicht zu Fuß nach Tintinarra. Wir sind keine Aborigines. Wir …«
»Lass gut sein, Alison«, unterbrach Lyle sie. Er wollte das aggressive Verhalten des Mannes nicht noch mehr herausfordern. »Wir finden schon eine Lösung. Ich werde nach Tintinarra gehen, wenn es sein muss. Du kannst ja hier beim Flugzeug bleiben, bis du es wieder in die Luft bekommst.«
»Wer weiß, wann das sein wird, Lyle«, sagte Alison verärgert. »Sobald die Windböen nachlassen, will ich hier weg. Denn wenn wir auch noch von heftigen Regenfällen überrascht werden, wird sich die Gegend in eine Schlammwüste verwandeln. Wir hätten dann keinerlei Möglichkeit mehr, abheben zu können.« Ihr gefiel außerdem die Vorstellung ganz und gar nicht, alleingelassen zu werden, wo doch Leute wie dieser wilde Aborigine hier herumwanderten. Sie wandte sich noch einmal an
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