Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
hätte sich lieber einer Braunschlange als einem Kamel gegenübergesehen, aber sie hatte keine Ahnung, wie sie Lyle das sagen sollte.
Haji bot Lyle und Alison eine Kopfbedeckung an.
»Ist das ein Brauch hier?«, fragte Alison.
»Es schützt vor der Sonne und dem Staub«, sagte Haji freundlich. »Binden Sie es um.«
Er selbst trug einen Turban, der nur seine Augen freiließ, was ihn ein wenig unheimlich aussehen ließ, seine Stimme dagegen war beruhigend und angenehm.
»Sie müssen uns zeigen, wie man diese Kopfbedeckung trägt«, bat Lyle, der Anfang nicht von Ende unterscheiden konnte.
»Natürlich«, meinte Haji entgegenkommend. Er legte eines der Tücher über Alisons Kopf und band es so, dass nur noch ihre Augen hervorschauten. »Genau so«, meinte er.
Alison setzte zusätzlich ihre Sonnenbrille auf, jetzt war sie überzeugt, vor dem Wind und dem Staub genügend geschützt zu sein. Als Lyle sein Tuch umband, konnte sie sich ein Lächeln nicht verkneifen, aber das konnte er natürlich nicht sehen.
»Sehe ich nicht aus wie ein arabischer Scheich?«, fragte er scherzhaft.
»Wenn du viele Millionen Dollar hättest und einen Harem noch dazu, wäre ich überzeugt«, sagte Alison sarkastisch.
Lyle lachte.
Kaum hatte Lyle Alison in den kleinen Sitz hinter sich geholfen, hatte sie doch große Bedenken, was den Ritt auf einem dieser grummelnden Kamele anging, denen beim Wiederkäuen der Schaum vor dem Maul stand.
»Ich glaube, das Biest will nicht zwei Leute auf dem Rücken tragen«, rief Alison zu Haji, als Lyle aufstieg. »Vielleicht sind zwei Leute einfach eine zu schwere Last.«
»Zu schwer? Du vielleicht«, feixte Lyle.
»Nein, ganz im Ernst. Hör dir das arme Tier doch nur mal an. Wie soll es mit uns beiden auf dem Rücken denn überhaupt hochkommen?«
Alison besah sich ihre Sitzposition genauer. Sie saß direkt auf den Hinterbeinen des Kamels. Als sie zurückschaute, sah sie nichts weiter als dessen Schwanz. Es war eine äußerst heikle Position, also klammerte sie sich an einen Griff an der Rückseite von Lyles Sitz.
»Ashu ist bloß faul«, erklärte Haji. »Er denkt, er hat sich doch gerade erst niedergelassen, also wieso sollte er sich schon wieder erheben.«
Aus der Satteltasche seines Kamels, das Amar hieß, nahm er einen Stock. Daran hing etwas, das verdächtig nach dem Schwanz eines anderen Tieres aussah. Und dann kam er von hinten an Ashu heran.
»Was haben Sie vor damit?«, fragte Alison panisch.
»Ich will ihn dazu bringen, sich zu bewegen«, erklärte Haji entschieden.
»Bitte schlagen Sie ihn nicht«, bat Alison. Vor ihrem geistigen Auge erschien das Bild ihres Kamels, das schnell wie der Blitz davonschoss.
Haji achtete gar nicht auf sie, hob die Peitsche und brüllte dem Tier einen Befehl zu. Im selben Moment drehte Ashu den Kopf und gab einen schrecklichen kehligen Laut von sich.
»Ich glaube, ich habe es mir anders überlegt«, rief Alison Lyle zu. »Ich steige ab.«
Bevor sie das Bein jedoch über den Höcker des Kamels schwingen konnte, machte es sich ans Aufstehen. Es brüllte aus Protest.
»Zu spät«, meinte Lyle, als das Tier die Hinterbeine streckte.
Alison stieß völlig unvorbereitet auf den Ruck mit dem Kopf gegen Lyles Rücken. Ihr Tuch verschob sich, und auf einmal war nur Dunkel um sie herum. Orientierungslos löste sie eine Hand von dem Sattelgriff, um das Tuch wieder zurechtzurücken, damit sie sehen konnte, was da vor sich ging. In dem Moment streckte das Kamel auch die Vorderbeine, und sie verlor das Gleichgewicht. Beinahe wäre sie heruntergerutscht. Zum Glück stand Haji in der Nähe, und so packte er ihr Bein und schob sie wieder in den Sattel. Alison war froh, dass sie bei der Arbeit stets Hosen trug.
»Festhalten«, befahl Haji.
»Sie hätten mich ruhig vorwarnen können«, beschwerte sich Alison, während sie darum kämpfte, ihre Würde zurückzuerlangen. Das war unter Lyles und Hajis Gelächter nicht einfach.
Der Kamelritt durch das australische Outback war wie ein Albtraum für Alison. Die trittsicheren, eigentlich ganz zufriedenen Tiere bewegten sich majestätisch, doch die schaukelnde Bewegung verursachte bei Alison Übelkeit. Als sie sich bei Lyle darüber beklagte, lachte der bloß.
»Das ist nicht komisch«, meinte sie.
»Jetzt weißt du, wie ich mich fühle, wenn du mit dem Flugzeug Loopings drehst«, gab er zurück.
»Das ist doch nicht dasselbe«, beharrte Alison, obwohl sie insgeheim gelobte, ihm ihre kleinen Kunststücke nicht mehr
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