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Der Glanzrappe

Der Glanzrappe

Titel: Der Glanzrappe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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in den Hüften hängenden Hosen zusammengenäht waren. Sie hatten sich aufgeschlitzte Bettüberwürfe über den Kopf gezogen und mit einem Gürtel um den Leib gebunden. Die Kinder trugen lange Kittel ohne Unterwäsche darunter. Die meisten hatten nur Lumpen an, doch ein paar waren besser gekleidet als die Reiter. Ein angeketteter Mann trug einen schicken schwarzen Anzug und eine flache Melone.
    Die Nachhut bildeten eine weitere Gruppe von Menschenjägern und ein zweirädriger Karren mit geifernden Bluthunden unter dem hohen Fahrersitz. Die Hunde blickten mit ihren blutunterlaufenen Augen zu ihm herüber, gaben aber keinen Laut von sich. Sie waren auf ihre Beute abgerichtet, auf sonst nichts, und diese Beute lief vor ihnen auf der Straße, unters Joch gezwungen und aneinandergekettet.
    Nach dieser Begegnung wollte er vor allem Abstand zu den Menschen und zu den Straßen, auf denen sie reisten. Er suchte tief im weglosen Gelände nach den alten, überwucherten Pfaden der Tiere. Er suchte nach Nebenwegen, die von den Viehhändlern genutzt wurden, von den Habenichtsen und den Entlaufenen.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    4 DAS STILLE KONZERT
    v on Licht, Wind und Wasser bot ihm einen selten schönen Ruheort. Hier streckte er sich aus und wurde erst von einem heftigen Rascheln in der Laubschicht unter den Büschen wieder aufgeschreckt. Er mußte lächeln, als er feststellte, daß ein Eichhörnchen auf Futtersuche mehr Lärm machen konnte als ein Schwein, das nach Eicheln wühlt. Er wußte, daß er weitermußte, und er spürte an diesem Morgen schmerzlich die Schuld seiner Aufsässigkeit. Aber er wollte seine Zeit wiederhaben. Wollte, daß sie ihm gehörte. Träge warf er einen Stock in Richtung Rascheln. Es folgte eine lange Pause, dann ein Kratzen, und dann begann das Eichhörnchen von einem Ast aus hoch über ihm zu schimpfen, weil er hier am Ufer störte.
    Bald wanderte die Sonne weiter, und ihr Licht traf auf die Stelle, an der er saß. Er dachte, wie herrlich man hier angeln könnte. Aus den Hartholzbüschen drang das Zwitschern von Singvögeln. Schwalben stürzten herab und bauten in dem überhängenden Ufer zu seinen Füßen ihr Nest. In den Wipfeln der turmhohen Bäume rauschte eine Brise, und dann war es wieder still, als hätte sich eine Hand unvermittelt gesenkt. Hinter sich hörte er sein Pferd Grasbüschel rupfen.
    Er überlegte, ob er die Nacht durchgeschlafen hatte, konnte sich aber nicht erinnern.
    Am anderen Ufer tauchte eine menschliche Gestalt auf, eine gebeugte kleine Frau. Unter ihrer Haube wurde eine Maiskolbenpfeife sichtbar. Langes, geflochtenes Haar fiel über ihren Rücken herab. Sie trug einen hölzernen Eimer, und eine Bambusangel schaukelte auf ihrer Schulter, kurios, aber harmlos. Als sie vom Gras herunter aufs Kiesufer trat, schauten ihre Schuhspitzen unter den Baumwollröcken hervor.
    Er wollte schon in den Wald verschwinden, da sah er hinter ihr eine Herde wohlgenährter weißer Gänse auftauchen, eine mobile Essensreserve. Eine Ente war fünfundzwanzig Cent wert, eine Gans fünfzig.
    Er beobachtete, wie sie zuerst flußabwärts blickte und dann flußauf am Kiesufer entlang weiterging. Die Gänse folgten ihren Bewegungen, stießen gegeneinander und versuchten watschelnd aufzuschließen. Er hatte kein Geld mehr. Womöglich würde sie sich auf ein Tauschgeschäft einlassen, aber was konnte er ihr anbieten? Er könnte ihr einfach eine Gans stehlen, aber bis jetzt hatte er sich noch nie etwas genommen, von dem er genau wußte, wem es gehörte.
    Die kleine alte Frau schien kein großes Interesse am Angeln zu haben; nach einer Weile legte sie die Rute beiseite, setzte sich auf den Eimer und konzentrierte sich auf ihre Pfeife. Die Gänse spazierten scheinbar ziellos umher, bis die kleine Frau ausspuckte. Sofort kamen sie zu ihr herangewatschelt und inspizierten eine ganze Weile die Spucke. Dann fand eine Gans eine Larve und erregte damit das Interesse der anderen, die sich sogleich um sie scharten. Die Frau zog genüßlich an ihrer Pfeife, paffte unablässig graue Rauchwölkchen in die Luft. Über d en Bäumen ertönte der rauhe Schrei fliegender Krähen, so überraschend wie das Knacken eines Asts. Eine aufgescheuchte Eule kam in Sicht, kreuzte über dem Fluß sein Blickfeld. Sie glitt über die Wasserfläche dahin und verschwand am Ufer im dunklen Unterholz.
    Dann bemerkte er, daß sich das träge Wasser

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