Der Glanzrappe
verstohlen ihre Taschen und das Futter ihrer Kleider ab und nahmen alles an sich, was sie fanden. Sie drehten ihnen die Ringe von den Fingern und schlichen mit ihrer schändlichen Beute davon. Als anonyme Andenken an die Toten einer der größten Schlachten der Welt waren sie für eine Schublade, einen Schrank oder für ein Privatmuseum bestimmt, oder auch zum Verkauf an Familien, die einen Toten zu beklagen hatten und das Andenken nun auslösen mußten. Wer dieses Geschäft in größerem Umfang betrieb, sammelte Decken, Pferdegeschirre und Waffen. Sie bedienten sich der Pferde, Munitionswagen und sogar der Ambulanzfahrzeuge, um sie zu Milch- und Futterkarren umzubauen.
Überall an Felsbrocken und Baumstämmen klebten Haare, Hirnmasse, Eingeweide und Fleischfetzen, in der Hitze schwarz verfärbt. Da lagen Männer und Pferde, auf das Doppelte angeschwollen, und in den folgenden Tagen konnte er mit ansehen, wie sich ihre Augäpfel blähten und hervorquollen und schließlich unter dem Druck der Faulgase aufplatzten wie schreckliche Blumenkelche.
Die Totengräber begannen ihr Werk, hoben über ihre Spaten gebeugt mit mechanischen Bewegungen die Erde aus, schaufelten einen Hügel nach dem anderen. Er beobachtete zwei, die ein Grab mit der Erde füllten, die sie für das nächste ausgehoben hatten. Sie mußten die ganze Nacht gearbeitet haben, so lang war die Reihe der Grabhügel hinter ihnen. Er sah ihnen zu, bis sie erschöpft innehielten und der eine einen Krug faßte und dabei feststellte, daß er leer war. Robey war nicht nahe genug, um ihren Wortwechsel zu verstehen, aber offensichtlich ging es um den leeren Krug. Der eine ließ seinen Spaten fallen und ballte die Hände zur Faust, woraufhin der andere seinen Spaten ergriff und ihn dem ersten auf die Schulter knallte. Sie fingen an zu rangeln, zu ihren Füßen die Toten mit ihren weißen milchigen Augen, bis sie schließlich beide neben den Leichen zu Boden sanken und sich nicht mehr rührten, nur noch flach atmeten.
Etwas weiter traf er auf junge Männer, die die amputierten Gliedmaßen einsammelten und in Holzfässer legten. Er fragte, was sie mit all diesen Körperteilen vorhatten, und sie sagten ihm, sie seien Medizinstudenten und wollten die Fässer im Boden vergraben, bis das Fleisch verwest war, und die Knochen dann zu ihrem College nach Washington bringen. Eine andere Gruppe von Studenten war damit beschäftigt, in gußeisernen Kesseln die Leichen der konföderierten Soldaten so lange zu kochen. b is sich das Fleisch vom Skelett löste. Sie hantierten sorgfältig mit Löffeln und Haken, während die Flammen an den dampfenden Kesseln leckten.
Er folgte zwei Fledderern, um zu sehen, wie sie vorgingen. Bald begriff er, was an den beiden anders war, denn sie waren nicht an Andenken oder Erinnerungen oder sonstigen nützlichen Dingen interessiert, sondern gingen sehr gezielt vor. Sie hatten Gerätschaften bei sich wie Ärzte oder Mechaniker. Sie besaßen Karbidlampen, mit denen sie das Gelände nachts durchstreifen konnten, und tarnten sich auf verschiedene Weisen. Ihr Lager hatten sie etwas abseits aufgeschlagen. Sie waren nicht am Zubehör des Kriegshandwerks interessiert, und wenn sie Kriegsgerätschaften stahlen, wählten sie sehr sorgfältig aus. Ihr Interesse konzentrierte sich auf Schmuck und bestimmte persönliche Gegenstände. Sie suchten nach allem, was eine Inschrift hatte oder eine Adresse, damit sie die Gegenstände an die Angehörigen verkaufen konnten. Sie durchsuchten nicht die Taschen der Toten und das Futter ihrer Kleider, sondern gingen sehr geschickt und viel effizienter vor, mit Rasiermessern, die sie an ihren Ärmeln befestigt hatten. Mit Eisenscheren schnitten sie den Toten den Ringfinger ab, und mit Kneifzangen rissen sie ihnen die Goldzähne aus dem Mund.
An diesem Nachmittag strömten die Menschen bereits in Scharen zum Schlachtfeld und machten einen Rundgang. Väter und Mütter, Brüder und Schwestern suchten nach ihren verwundeten und toten Angehörigen. Das Gelände war übersät mit Gewehren und allem möglichen Kriegsgerät, und auch solche Dinge wurden als Trophäen mitgenommen. Mehr als einer dieser Unkundigen und Neugierigen kam ums Leben, weil sich aus einer geladenen und entsicherten Waffe versehentlich ein Schuß löste.
Nebengeschäfte begannen zu blühen. Frauen mußten zwanzig Dollar zahlen, damit ihr Mann oder Sohn vom Schlachtfeld aufgesammelt, in eine Holzkiste gelegt und auf einen Karren gehoben wurde. Robey packte
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