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Der Glanzrappe

Der Glanzrappe

Titel: Der Glanzrappe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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hinunter und schnitt dem Offizier mit einem Rasiermesser die Kehle durch. Die Hand mit dem Rasiermesser wühlte im gurgelnden Blut und zog schließlich die tropfende Goldplatte hervor.
    Robey schlich die ganze Nacht hinter den Fledderern her, beobachtete sie bei ihrem blutigen Handwerk und folgte ihnen auch, als sie ihre Beute in eine kleine Hütte brachten, eine halbe Meile vom Schlachtfeld entfernt. Es war eine winzige Ziegelsteinhütte mit einem Blechdach darauf. Türen und Fenster fehlten, die Nordwand war eingefallen und bestand nur noch aus Schutt und Geröll.
    Die beiden gingen von außen hinunter in einen kleinen niedrigen Kellerraum, nicht viel höher als einen Meter. Robey sah am Kellerboden ein Licht aufflackern und hörte das keuchende Geräusch eines Blasebalgs. Er dachte nicht daran, wegzugehen. Er dachte auch nicht über die Frage seines Vaters nach, ob er es schaffen konnte. Er hatte keine Wahl, und er machte sich deshalb keine Gedanken. Es war, als hätte jemand anders für ihn entschieden, und zu dieser Entscheidung gehörte auch, daß er keine Fragen stellte.
    Das trübe gelbe Licht flackerte vom Boden hoch und begann durch die Risse im Fundament zu schimmern. Er entdeckte eine kleine Öffnung, wo die Grundmauer verrottet war, und kroch auf allen vieren zum Licht hin. Dann legte er sich flach auf den Bauch und spähte in das Kellerloch hinein, und auf einmal durchfuhr ihn ein bislang unbekanntes Gefühl. Es war nur der Hauch eines Gefühls, aber er war wie elektrisiert davon.
    Die beiden saßen im Schneidersitz auf der Erde, ein Licht zwischen sich, so wie es Männer seit Tausenden v on Jahren tun. Das Licht war eine winzige Schmiedeesse, in der sie einen kleinen Tiegel erhitzten, um nach und nach die Goldzähne und die Eheringe und auch die Zahnplatte des ermordeten Offiziers hineinzulegen. Stück für Stück zogen sie aus ihren Taschen die goldenen Andenken, Erinnerungen, Liebeserklärungen und Seelentröster, die sie erbeutet hatten.
    »Ich bring nicht gern jemanden um«, sagte der eine und drückte auf den Blasebalg. »Aber was soll man machen?«
    »Jetzt ist ’ s vorbei«, sagte der andere. »Morgen gehen wir mit der Armee nach Süden. Mir reicht ’ s hier. Der Gestank ist unerträglich.«
    Robey beobachtete sie eine ganze Weile durch die Ritze im Mauerwerk, und er war nicht schockiert, sondern fasziniert von ihrem Tun. Als er hinter sich das nervöse Schnauben eines Pferdes hörte, drehte er sich zur Seite und griff nach dem Revolver. Drüben bei den Bäumen stand ein langbeiniger Rotschimmel mit zusammengebundenen Hinterläufen, und daneben ein zweites Pferd, eine Fuchsstute mit Blesse, das Blätter vom Baum zupfte.
    Die Männer im Keller hatten das unruhige Pferd nicht gehört. Sie entkorkten eine Schnapsflasche, reichten sie sich gegenseitig und rauchten Zigarren, und als das Metall geschmolzen war, griff der eine nach einer Eisenzange und hob den kleinen Tiegel damit an. Der andere schob ihm ein Sandkistchen hin, das kaum Platz für ein Kartenspiel bot. Der mit der Zange goß das flüssige Metall hinein, und es entstand ein rechteckiger Lichtschein, gleißender als die Sonne, heller als alles Licht, das Robey je gesehen hatte.
    Die beiden tranken weiter und zogen an ihren Zigarren, während das Licht an Intensität verlor, aber Robey s Erinnerung würde dieses Gleißen für immer festhalten. Mit blutverschmierten Händen schnippten sie sich den Schmutz von der Hose, prüften die Knöpfe und strichen die Revers glatt. Er schloß daraus, daß sie ihr Tagwerk vollbracht hatten. »Ich meine, wir sollten heut nacht noch nach Harrisburg, und dann nehmen wir den Zug zurück nach Philadelphia«, sagte der eine. »Ich meine, wir haben genug, wir müssen nicht gierig sein wie Mastschweine.«
    »Warum nicht?« entgegnete der andere. »Mastschweine werden fett.«
    »Aber wenn sie fett sind, werden sie geschlachtet.«
    »Wo du recht hast, hast du recht.«
    Im Lichtschein der abkühlenden Esse und des aushärtenden Metalls konnte er erkennen, daß der eine Mann Luchsaugen hatte und sein Gesicht völlig vernarbt war, wie nach einem Brand oder einer Explosion. Die Ohren wirkten gestutzt, sie sahen aus, als hätte jemand ein Stück abgeschnitten. Der andere packte mit der Zange ein Stück Glut, beugte sich vor und zündete sich noch eine Zigarre an.
    »Sie stauen sich grad am Potomac«, sagte der andere.
    »Was wollen sie dort?« fragte der eine. »Nicht besonders schlau.«
    »Das Wasser ist zu hoch,

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