Der Glaspavillon
Town zurück. Ich kam mit ins Haus und trank eine Tasse Kaffee mit Peggy. Wie üblich machte sie sich Sorgen – diesmal in erster Linie wegen Pauls Film, mit dem sie nichts zu tun haben wollte. Außerdem machte sie sich Sorgen um Martha, wozu mir leider nicht viel einfiel. Und sie machte sich Sorgen, daß Alan womöglich durchdrehte. Ich sagte ihr, meiner Meinung nach brauchte man sich darüber bestimmt nicht den Kopf zu zerbrechen. Aber sie sorgte sich sogar ein wenig um mich. Paul hatte ihr von meiner Therapie berichtet, und darüber wollte sie jetzt unbedingt mit mir sprechen.
»Du weißt ja, daß ich auch jahrelang zur Therapie gegangen bin, nachdem Paul mich verlassen hatte«, begann sie. »Aber nach ungefähr zwei Jahren habe ich endlich all meinen Mut zusammengenommen, mich auf der Couch aufgerichtet und mich umgesehen. Mein Analytiker hat fest geschlafen.«
»Ja, das hast du mir schon erzählt, Peggy«, entgegnete ich. »Ich glaube, das passiert ziemlich häufig.«
»Trotzdem, die ganze Sache war eine fürchterliche Geldverschwendung. Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß Pillen billiger sind und auch wesentlich bequemer.
Mein Arzt hat mir was verschrieben, ich hab meine Krise überwunden, und weißt du noch, als ich letzten Sommer mit den Mädchen nach Kos gefahren bin? Ich hab rausgefunden, daß der Urlaub billiger war als drei Monate Therapie. Zugegeben, dort hatte ich das Gefühl, ich brauche mindestens drei Jahre Therapie, um mich zu erholen. Wie sich die Mädchen benommen haben! Und diese Kellner, sind ständig um sie herumgeschwirrt, wie Bienen um den Honigtopf!«
»Was willst du damit sagen, Peggy? Meinst du, ich verschwende meine Zeit?«
»Nein, vermutlich bin ich einfach nur überrascht. Du warst immer so stark. Außerdem – sei jetzt bitte nicht beleidigt –, außerdem verstehe ich einfach nicht recht, was du vorhast. Du warst doch diejenige, die sich plötzlich von Claud trennen wollte. Für ihn war es ein schrecklicher Schlag, er ist verzweifelt. Und jetzt kriegst du ein schlechtes Gewissen und suchst Hilfe. Und nicht nur das: Paul hat mir erzählt, daß du immer wieder mit der Geschichte von Natalie anfängst. Ich verstehe nicht, was das alles soll, ehrlich, Jane.«
Auf einmal spürte ich eine entsetzliche Wut im Bauch.
Am liebsten hätte ich Peggy angeschrien oder ihr eine Ohrfeige verpaßt, aber sosehr ich südländische Emotions-ausbrüche immer bewundert habe, ich selbst war leider nie dazu fähig. Außerdem spürte ich, daß Peggy in gewisser Hinsicht gar nicht so unrecht hatte. Also antwortete ich möglichst kühl und gelassen:
»Vielleicht verstehe ich selbst nicht, was mich dazu treibt, Peggy. Vielleicht möchte ich ja genau das herausfinden.«
Am Abend dieses anstrengenden Tages zupfte ich die Plastikfolie von einem frischen Zigarettenpäckchen, wusch den Aschenbecher im Spülbecken aus, öffnete eine Dose schwarze Oliven und leerte sie in eine kleine Schüssel. Zum Glück waren sie entkernt, denn ich wollte mich auf nichts konzentrieren müssen. Zusammen mit einem trockenen Martini, der so kalt war, daß er wie ein Hexengebräu dampfte, trug ich alles ins Wohnzimmer und ließ mich vor dem Fernseher nieder. Nach dem Zufalls-prinzip wählte ich einen Kanal und glotzte auf den Bildschirm, ohne etwas zu sehen.
Fast vom ersten Schluck an tat der Drink seine Wirkung, und eine angenehme Benommenheit breitete sich in mir aus. Ich kann am besten nachdenken, wenn ich bei einem Orchesterkonzert im Publikum sitze oder wenn ich in einer Galerie umherwandere und so tue, als würde ich mir die Gemälde anschauen, oder wenn ich – wie heute – halb betrunken fernsehe. Was Peggy gesagt hatte, brachte mich ziemlich durcheinander. Ich gehöre zu den Leuten, die sich gern unanfechtbar im Recht wähnen, ich halte mir zugute, daß ich immer das Richtige tun will. Und jetzt begriff ich plötzlich, daß es – für Peggy und bestimmt für viele andere auch – so aussah, als ließe ich mich einfach gehen und täte genau das Falsche. Ich verließ mich auf Duncans Gutmütigkeit, wenn ich gerade mal keine Lust hatte zu arbeiten. Ich verließ mich auf meine Therapiesitzungen bei Alex, um nicht die Verantwortung für meine Entscheidungen tragen zu müssen. Ich führte irgendwelche halbgaren Ermittlungen über die Familie Martello durch … und warum? Aus Rache? Nein, ich mußte etwas Unerledigtes zu Ende bringen, ich suchte etwas. Aber ich wußte nicht, was. War es vielleicht besser, wenn ich das
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