Der gleiche Weg an jedem Tag
hat ⦠Für dich war er ja, wie ich gehört habe, ein richtiger Vater â¦Â«
Ich nickte bedächtig und verkniff mir eine Grimasse bei seiner Rede, die meine dämmrige Schläfrigkeit zerriss. War es wirklich schon drei Wochen her, seit die Ferien begonnen hatten, seit ich Petru vor meiner Abreise zum letzten Mal gesehen hatte? Wie viel Zeit ist vergangen, seit ich mein Gesicht über seine wohlbekannte weiÃe, von der Umarmung heià duftende Haut geneigt habe? Ich spüre seinen Körper ganz nahe, an den meinen geschmiegt, von der Hitze da drauÃen rinnt das Wasser zwischen uns, vielleicht lässt ihn die Verzweiflung der Begierde plötzlich die Zähne zusammenbeiÃen, und seine Augen werden glasig und streng, als wäre er wütend. Auf der Ecke der Krypta sitzend, war ich von der Sonne des späten Vormittags und von der Erinnerung entbrannt. Als ich ihn nach dem letzten Aufbäumen verstohlen anschaue, finde ich seine Lider irgendwie geschwollen über dem milden und fremden Blick. Er löst sich sanft, aber ich spüre, wie er sich von mir entfernt, während er einen flüchtigen Kuss auf meiner Schulter hinterlässt. Meine unruhige Erwartung flieÃt durch seine verlangsamten Bewegungen, und wenn ich, während wir miteinander reden, meinen Kopf auf sein nacktes Knie lege, schwellen die Wörter zwischen uns an wie der Sand. Ich weiÃ, es ist vergeblich, und doch strecke ich meinen scheuen Arm aus, um ihn zu umfangen, und in einem Augenblick der Nachgiebigkeit lässt er es zu. Ich erwarte etwas anderes als all das, was er mir jetzt sagt, ich erwarte es krampfhaft, schlieÃlich ist es das letzte Mal, bis zum Herbst werde ich ihn nicht mehr sehen, und die Sommermonate erstrecken sich vor mir wie ein unendliches Gewässer, dessen Ufer ich nicht ausmachen kann, mit Grausen frage ich mich, wie ich es je erreichen soll. Was bedeuten ihm die Monate unserer Trennung? Er lacht, seine Welt umfängt ihn wieder, und ich weià nicht, wie ich mir Zutritt verschaffen könnte, ich weià auch nicht, wie ich ihn aufhalten sollte, mit jedem Augenblick ist er immer mehr ein anderer als ich. Die Traurigkeit höhlt mich aus, und ich bemühe mich gar nicht mehr, ihm zu antworten, denn die Worte steigen mir bis zu dem Knoten in der Kehle und bleiben dort stecken.
*
»Gehen wir jetzt, es ist bald Mittag«, sagt Vater. Mutter nimmt das in Zeitungspapier gewickelte Päckchen und trägt es bis zum ersten Müllkorb auf der StraÃe.
»Hast du Emil mit dem Kind gesehen?« Sie gingen jetzt Arm in Arm, stützten und behinderten sich gegenseitig. Ihre Schritte hatten kein GleichmaÃ, und ich wusste nicht, ob es daran lag, dass beide jahrelang allein unterwegs gewesen waren, oder ob sie, egal, was sie gemacht hätten, zusammen immer so ein Bild abgegeben hätten. Aber die Gesichter, die sie den Leuten auf der StraÃe zuwandten, verbargen die Auseinandersetzung von vorhin und kündeten nur von der Genugtuung darüber, dass sie endlich so aussahen, wie alle Leute an einem Sonntagvormittag aussehen müssen, Arm in Arm auf dem Korso unterwegs vom Friedhof nach Hause.
»Es muss ihre Idee gewesen sein, denn ihn als Vater hätte ich mir ums Verrecken nicht vorstellen können ⦠Immerhin kümmert er sich um das Kind«, fuhr Mutter fort. Sie haspelte die Wörter schnell herunter, anders als ich sie kannte, in ihrer Stimme lag ein Ãbereifer, als glaubte sie selbst nicht recht, was sie sagte, und wollte nur unserem Weg durch die Stadt nach Hause einen familiären Anschein geben.
»Allerdings hätte ich nie den Mut gehabt, ein fremdes Kind aufzunehmen ⦠Wenn es wenigstens irgendwie zur Familie gehört hätte, aber so ⦠Wer weiÃ, wer seine Eltern sind â¦Â« Sie lieà den Satz in der Schwebe und sah mich an.
»Wir haben sie gestern zu dritt gesehen, als ich mit Letiţia einkaufen war«, entgegnete Vater mit gleichgültiger Stimme. Das Leben der anderen schien ihn nicht zu interessieren.
Wir waren uns an der Ecke zum Korso begegnet, der Herr Emil hatte uns als Erster gesehen. »Ach, schau einer an«, rief er verlegen und machte sich eilig am Kinderwagen zu schaffen, als müsste er dort etwas verstecken. Matei Alexandru wandte uns sein feistes Gesicht mit dem zahnlosen Kiefer und Milchresten im Mundwinkel zu.
»Ihr kennt euch, nicht wahr?«, sagte der Herr Emil zu Vater
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