Der gleiche Weg an jedem Tag
scharfe Antwort übertönte ihre letzten Worte: »Du weiÃt genau, weshalb ich nicht gekommen bin, ich habe es dir so oft erklärt ⦠Ich kann nicht glauben, dass du ein so kurzes Gedächtnis hast, es bedeutet schlicht und einfach, dass du nicht in Betracht ziehen willst, was ich sage, also rede ich umsonst ⦠Ich habe dir erklärt, dass es mir darum zu tun war, korrekt zu sein, erst dann zu kommen, wenn ich einen mehr oder minder geregelten Stand habe. Solange es schwer war, bin ich allein zurechtgekommen, aus eigener Kraft, nicht wie andere, die in dem jämmerlichen Zustand auftauchen, in dem sie dort rauskommen â¦Â«
»Das wäre für uns nicht von Bedeutung gewesen, du hättest mir ein Jahr der Qual erspart â¦Â«, entgegnete sie mit weicherer Stimme.
Ich erreichte sie, hakte sie ein und packte fest ihren Arm, ich wollte nicht, dass sie wieder stritten. AuÃerdem glaubte ich ihm nicht, eher glaubte ich BiÅ£Ä, der mir kichernd zugeflüstert hatte, Vater habe zuerst bei der »Anderen« unterzukommen versucht, aber die »Andere« habe lästige kleine Kinder aus einer anderen Ehe. AuÃerdem habe er keine Zuzugsgenehmigung für Bukarest gehabt.
»Wieso zwickst du mich, du weiÃt, wie mich das nervt«, fauchte Mutter und schob meine Hand weg.
In ihrer Stimme schwang der ganze Ãrger, der sich in fünfzehn Jahren angestaut hatte. Auch mich packte der Ãrger über ihr Bedürfnis, einem alles, was ihr durch den Kopf ging, sofort vor die FüÃe zu schmeiÃen, ich nahm die eine Seite des Teiches mit grünlichem Wasser in der Mitte des Friedhofs und lieà sie ihre strengen, missmutigen Gesichter gemeinsam an der Gegenseite entlangtragen.
Ohne den geringsten Zusammenhang fiel mir plötzlich der Ausflug ein, den wir, Mutter, Onkel Ion und ich â wann war das gewesen? â, zu den alten Kirchen in der Umgebung der Stadt gemacht hatten. Klar vor Augen standen mir das warme Viereck der sonnenbeschienenen Tür, hinter der die anderen, die mit uns waren, uns zuriefen: »Jetzt kommt doch mal«, und der von grauen Pfählen bestandene Hügel gegenüber, wo ein Mann mit der Spritze auf dem Rücken die Weinstöcke besprühte. »Diese habe ich noch mit der armen Åtefania gesehen â¦Â«, raunte der Onkel. Kniend schrieb er die abgekürzten Inschriften von dem verwitterten Kreuz und der eingesunkenen Grabplatte auf einen Zettel. »Sofort, sofort â¦Â«, sagte er zu denen drauÃen, zu leise, als dass sie ihn hätten hören können. Ich baumelte mit den Beinen in einem kalten Kirchengestühl und versuchte, die Zeit in mir aufzunehmen, wie der Onkel es mir gesagt hatte. Besinnungslos irrten meine Gedanken durch das wachstropfende Halbdunkel, in dem rote Kerzen vor dem Altar flackerten. Zwischen den vom Zahn der Zeit angegriffenen Wänden mit ausgebleichten und rauchgeschwärzten Heiligen spürte ich nichts als die Gegenwart der schwarzgekleideten Alten, die dann und wann mit ihren Röcken raschelte wie eine Maus im Herbstlaub, während sie hinter einer Art Pult auf die ordentlich aufgestellten Kerzen zum Preis von fünfundzwanzig, fünfzig Bani und einem Leu achtete.
Mutter reinigte das Grablicht und bückte sich dann, wobei sie mit der dürren Hand langsam die Tränen abwischte, nach den Gläsern. Sie nahm die alten Blumen heraus, legte sie auf die ausgebreitete Zeitung und ging frisches Wasser holen. Ich setzte mich auf eine Ecke der Krypta. In der Weide hinter dem Kreuz zwitscherten Spatzen, groÃe Ameisen krochen aus dem welken Gras meine nackten Beine herauf. Die Luft war golden und samtweich von der Sonne. Warum weinte Mutter? Warum kümmerte sie sich um das Grablicht und die Blumen? Von Onkel Ion spürte ich hier nichts, der Friedhof summte wie ein abgelegener schläfriger Biergarten. Stimmen klangen von der Hauptallee herüber, wo die Spaziergänger einander nach dem üblichen Sonntagsbesuch begegneten und in dezent verhaltenem Tonfall gegenseitig nach dem Befinden fragten, als hüteten sie sich, jemanden zu wecken, der sich gerade schlafen gelegt hatte. Vater stand steif am Rand der Krypta, die Hände andächtig gefaltet, barhäuptig und mit zusammengekniffenen Lippen.
»Wir beide waren immer in gutem Einvernehmen«, sagte er, »und ich bin ihm sehr dankbar, dass er sich in all den Jahren um euch gekümmert
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