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Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Adamesteanu
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die Decke darüberziehe.
    Als ich dabei war, einzuschlafen, tat mir die Welt wieder weh, meine Nerven verästelten sich in den Mauern, das ununterbrochene Brummen der Autos empfand ich wie ein unruhiges Pulsen des Blutes. Jenseits meiner geschlossenen Augen zeichnete sich sein Körper im Dunkel ab, wo ich ihn erwartete, und noch bevor er mich berührte, spürte ich die unermesslich ausgreifende Umarmung, das Mondweiß der Haut und den merkwürdig reiherartigen Gang in Socken, die er auszuziehen vergessen hatte. Ich stöhnte und scheuchte ihn zu dem Fenster des nutzlosen Morgens, doch dieser lauerte jenseits der Scheiben meinem traurigen Schlaf auf, zwischen meinen zusammengebissenen Zähnen knirschten seine welken Blätter und befleckten den Himmel, der rostig war wie sie. Ich war wieder erwacht, ich war allein, die Mädels mussten an diesem Morgen sehr leise gewesen sein, denn ich hatte sie nicht gehört. Ich hatte sonst nichts zu tun, also ging ich in die Bibliothek.
    *
    Â»Was tust du hier?«, flüsterte er, ich schrak auf und drehte mich um.
    Ich hatte die Stimme nicht erkannt, erst sein Gesicht erkannte ich, das einen endlosen Augenblick lang hin und her schwankte. Es befand sich jenseits, in jener bewegten Wirklichkeit, zu der durchzudringen ich mich mühte, mitten durch die Ströme des vor Erregung entfesselten Blutes und die ausgedünnte Luft.
    Â»Ich lese«, antwortete ich mechanisch.
    Meine Blicke hafteten an meinen unbeholfenen Händen mit den bis ins Fleisch zurückgeschnittenen Fingernägeln, wie die von Mutter. Hässlich sind sie, sagte ich mir und ballte die Fäuste, wobei mir die Frage durch den Kopf schoss, wie ich gekleidet war.
    Â»So früh am Tag …«, lachte Petru.
    Die unendliche Sekunde begann sich zu runden. Unablässig durchstieg ich eine gellende Leere, ohne an ein Ziel zu kommen.
    Â»Ich will nur ein Buch abholen und gehe gleich wieder, ich muss packen …«
    Â»Wieso packen?«
    Â»Ich fahre mit ein paar Freunden für zwei Tage ans Meer, habe ich dir doch gestern Abend gesagt …«
    Â»Hast du nicht …«
    Â»Ich glaube schon … Kann sein, dass ich es vergessen habe, weil sie es mir auch erst gestern gesagt haben … Weißt du was?«, sagte er plötzlich mit ungewohnter Beschwingtheit. »Heute Morgen haben wir festgestellt, dass noch ein Platz übrig ist, eigentlich zwei … Du könntest also auch mitkommen … Was meinst du?«
    Â»Im Ernst?«
    Noch hatte ich nicht gelernt, mich zu freuen, ich sah ihn nur misstrauisch an.
    Â»Aber klar, natürlich, sammle deine Bücher ein und geh schnell packen …«
    *
    Â»Und wann fahrt ihr?«, fragte Marilena.
    Ich zog meinen Koffer unter dem Bett hervor, holte das Knäuel schmutziger Wäsche heraus und presste es in eine Ecke des Schranks.
    Â»Jetzt, zu Mittag …«, antwortete ich ausweichend und knallte die Schranktür gegen die Wand.
    Der Schlüssel steckte noch im Schloss und hinterließ tiefe Spuren im weichen Putz. Natürlich hatte ich ihr nicht gesagt, dass ich mit Petru fuhr.
    Â»Und was ist mit Sergiu?«
    In ihrer Stimme lag ein Vorwurf, ich tat, als hätte ich nichts bemerkt.
    Â»Was soll ich denn sonst noch tun? Du erklärst ihm das, und ihr geht zu zweit … Meine Karte kriegt ihr schon los.«
    Â»So bringst du andere durcheinander, du denkst immer nur …«
    Â»An mich, ich weiß«, antwortete ich, plötzlich gereizt.
    Ich riss die übereinander hängenden Kleider von den Bügeln, breitete sie auf dem Bett aus und musterte sie, ich wusste nicht, welches ich nehmen sollte.
    Â»So ein Elend …«, sagte ich nach einer Weile mit verzagter Stimme, die nach Entschuldigung klingen sollte. »Schau dir mal an, wie zerknittert die sind … Wie lange müssen wir uns wohl noch einen Schrank teilen? Und wo nehme ich jetzt ein Bügeleisen her, auf unserer Etage gibt es keins.«
    Â»Ja, dir geht es jetzt nur noch ums Bügeleisen, alles andere hast du erledigt …«, fuhr sie mich an. »Kümmer du dich um alles andere, ein Bügeleisen beschaffe ich dir schon.«
    Ich spürte, wie ihr Blick mich grausam von mir selbst abspaltete, und empörte mich über dieses ganze Zusammenleben wie über ein riesiges Unrecht, gegen das ich nichts tun konnte. Alle meine Gesten, vor denen mich mein eigenes

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