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Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Adamesteanu
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ein?«
    Â»Wer?«
    Â»Ja, wer denn? Die Genossin Potorac – ich glaube, die ist auch schon ein paar Jährchen drüber, was meinst du? Fünfundzwanzig, sechsundzwanzig?«
    Â»Keine Ahnung«, brummte sie und fegte rasch alles vom Tisch, um die Decke auszubreiten. »Siehst du, das ist es eben – du denkst nur an dich. Das ist ihr Leben, Mobilmachungen, Sitzungen … Mir tat sie leid, wie ich sie so gesehen habe.«
    Â»Vielleicht hat sie dir das Bügeleisen deshalb gegeben«, feixte ich, riss ihr den noch warmen roten Rock aus der Hand und streifte ihn über. Ich stand in der Tür und kam mir aufgedonnert vor wie ein Propagandaplakat. Ich weiß nicht, wieso mir einfiel, dass auch Sandu groß drin gewesen war beim Jugendverband, bevor er durchdrehte. »Von Sandu weißt du nichts mehr?«
    Sie schwieg und starrte mich wütend an, ich erschrak über den falschen Ton meiner Stimme und trat einen Schritt zurück.
    Â»Du redest so dahin, dabei ist es dir egal – wenn’s dir nur gutgeht, dann …«
    Â»Mir geht es gut«, antwortete ich. »Mir geht es so gut wie niemand sonst … Und was geht dich das an?«
    Ich hätte nicht so gehen wollen, aber da war nichts zu machen. Als ich hinaustrat auf den Korridor, hörte ich gerade noch: »Hey, Mädel, wo willst du hin mit dem zerrissenen Strumpf?« Sie kramte vom Kopfende des Bettes das ungeöffnete Päckchen hervor und streckte es mir entgegen. »Nun nimm schon …«
    Â»Und womit gehst du ins Theater heute Abend?«, fragte ich mit gesenktem Kopf, während ich eilig den Strumpf anzog.
    Â»Wer sagt denn, dass ich gehe? … Hat Sergiu die Karten denn für mich gekauft?«
    Und wieder sah sie mich an, wie sie mich den ganzen Vormittag angesehen hatte. Als könnte ich ihr helfen und wollte es nur nicht. Als könnte ihr irgendjemand helfen. Die Sicherheit ihrer fanatischen und großzügigen Augen, die alles rundum vereinfachten. Die Unruhe vor der Abfahrt kribbelte bis in meine feuchten Fingerspitzen. Sie meinte, ich fuhr, um zwei Tage am Meer zu verbringen, und war verärgert darüber, dass ich das so gut hingekriegt hatte, ohne mich jemals groß um irgendetwas zu kümmern. Vielleicht erwartete sie aber auch nur, dass ich etwas sagte, damit auch sie mir etwas erzählen konnte.
    Â»Hau bloß ab, du bist spät dran, ich will dich nicht mehr sehen. Viel Spaß …«
    *
    Die Stadt hatte sich wieder von der Panik des Wochenendes anstecken lassen. In den Straßen drängelten sich die Autos vor den Ampeln in eintönigen bunten Schlangen, durch die großen Türen der Geschäfte sah man die Leute dicht an dicht in den Schlangen, wo gnadenlos geschoben und gestoßen wurde. Sie kamen heraus, bepackt mit vielen langen Broten für Kanapees, Taschen voller Wurstwaren, Wein- und Wodkaflaschen, füllten die verrauchten Restaurants, drängten sich vor Bücherständen, nur weil sich davor schon eine Menschentraube gebildet hatte, das alles übertönt von rufenden und schimpfenden Stimmen. Die späte Milde des Herbstes ertrank in dem Gewimmel auf dem noch warmen goldgelben Pflaster unter den vielen Schritten. Und während sie mich langsam vor sich her schoben, alle eilig auf dasselbe Ziel zustrebend, mitten hindurch zwischen Taschen, Koffern, Rucksäcken, Kindern in blauen Schürzchen, die neben ihren Eltern her trippelten, unter den großen Werbeplakaten, die vom Sommer übrig geblieben waren: BESUCHEN SIE DIE KLÖSTER IM NORDEN DER MOLDAU , erschien es mir ausgeschlossen, dass an einem so gewöhnlichen Nachmittag mitten in einer Stadt, die vorhatte, den morgigen Feiertag im Sturm zu erobern, Petru auf mich warten würde. Doch da war ich schon, vor seinem Block, und da wartete, mit grimmigem Blick immer wieder auf die Uhr sehend, ein kleines Köfferchen in der einen und zwei eingerollte Zeitungen in der anderen Hand, Petru.
    Â»Du hast wohl für einen ganzen Urlaub gepackt«, sagte er missbilligend, bückte sich nach meinem Koffer und hob ihn in den Kofferraum des Autos. »Meine Kollegen …«
    Ich streckte die Hand aus und prägte mir die eine trockene, männliche sowie die andere klebrig warme Hand ein. Anhand dieser Eindrücke hielt ich sie eine Weile auseinander.
    Â»Eigentlich hätten wir schon gestern fahren wollen, aber es kommt ja immer etwas dazwischen«,

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