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Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Adamesteanu
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Gedächtnis beschützte, waren in ihrer Erinnerung aufgehoben, gnadenlos. Jedes Mal, wenn ich ihrem Blick begegnete, wurde mir bewusst, dass ich auch so bin – chaotisch, fahrig, ohne eigene Logik.
    Â»Der hat dir also heute erst vorgeschlagen, du solltest mitfahren, und du hast sofort eingewilligt. Wohin fährst du mit einem, den du …?«
    Â»Ich habe dir bereits gesagt, ich kenne ihn schon lange, wir waren am selben Lyzeum … Es ist überhaupt kein Problem, mach dir keine Sorgen«, lachte ich und lief weiter im Zimmer hin und her.
    Sie sah mir mit herabgezogenen Mundwinkeln zu, bis sie meine planlose Sucherei nicht mehr aushielt.
    Â»Wenn dir Sergiu wirklich nichts bedeutet, hättest du auf keinen Fall einwilligen dürfen, mit ihm ins Theater zu gehen. Was hat es für einen Sinn, ihn durcheinanderzubringen?«
    Sie streckte sich auf dem Bett aus, als hätte sie endlich gesagt, was sie zu sagen hatte. Einen Augenblick lang überlegte ich, ob ich ihr antworten sollte, die Versuchung war groß. Das Licht draußen war plötzlich verschattet, weil Wolken am Himmel aufgezogen waren, hier drinnen verloren die Dinge ihre Form, ihre Kontur, als zerflössen sie in der Dunkelheit. Ich zögerte, plötzlich hatte ich die Nase voll.
    Â»Wieso bringe ich ihn durcheinander? Er bringt mich durcheinander«, lachte ich.
    Â»Ich geh und hol dir ein Bügeleisen.«
    Sie hatte es aufgegeben, »ernsthaft« mit mir zu reden. Schon war sie an der Tür, mit dem Rücken zu mir, und ich atmete erleichtert auf.
    Das Knallen der Tür, ihre sich entfernenden Schritte, der Korridor da draußen. Ich war so allein, dass die Stille gellte und das Blut mir in den Gelenken pochte, als wollte es den Augenblick messen und mich zur Eile drängen. Ich hielt mein Gesicht dicht vor den Spiegel, aus der Nähe sah jede einzelne Pore monströs geweitet aus, am liebsten hätte ich nicht mehr hingesehen, damit es sie nicht mehr gab. Ich spürte ihre Hand schon eine Sekunde, bevor sie die Klinke drückte, und begann mich langsam zu kämmen, wobei ich das Gesicht vor dem Spiegel zurückzog.
    Â»Rate mal, woher ich es habe?«, triumphierte sie und hielt mir das Bügeleisen unter die Nase.
    Der versengte, notdürftig mit Draht verstärkte Griff wackelte in den breiten, rostzerfressenen Nieten.
    Â»Von deiner Urgroßmutter«, antwortete ich und drehte mich zum Fenster, um meinen Haarknoten von hinten zu begutachten.
    Â»Von der Genossin Potorac«, lachte sie.
    Etwas musste sie unterwegs belustigt haben, oder sie war mit sich zufrieden, weil sie mir die Wahrheit ins Gesicht gesagt hatte.
    Â»Meinst du, das wird noch warm?«, fragte ich zweifelnd.
    Ich spürte die Stunde der Abfahrt näher rücken, und die Unruhe würgte mich wie Ekel. Ich sagte mir jedoch, es würde mir immerhin leichter sein, als nicht zu wissen, was er dort tat, zwei Tage lang am Meer.
    Â»Du hast keine Ahnung, dies ist besser als jedes andere, du hast Glück, dass ich die Genossin Potorac getroffen habe …«
    Â»Ich wusste gar nicht, dass sie im dritten wohnt«, sagte ich, kniete mich auf den Kofferdeckel und mühte mich ab, ihn zu schließen.
    Â»Wieso wusstest du das nicht? Sie wohnt allein, in dem Eckzimmerchen.«
    Â»Das hätte mich auch gewundert, wenn die das nicht so gedreht hätte, dass sie allein wohnt«, sagte ich mit abschätziger Grimasse. (So sehr ich mir ein eigenes Zimmer wünschte, ich hätte dafür nicht tun können, was die Genossin Potorac tat, und dachte gar nicht dran, es zu versuchen.) »Sie wird nur traurig sein, dass sie in letzter Zeit keine Mobilmachung zu leiten hatte, sie hat uns nicht mehr gescheucht, zu keiner Kundgebung, keinem freiwilligen Arbeitseinsatz …«
    Die Genossin Potorac war unsere Kommilitonin, vor allem aber die von Bucur, denn andere Freundinnen hatte der nicht. Sie redete wie er, mit Grammatikfehlern, bekam aber unerklärlich gute Noten. Sie war beim Kommunistischen Jugendverband oder beim Kommunistischen Studentenverband, saß bei Sitzungen im Präsidium, war früher Aktivistin gewesen, und das alles interessierte mich überhaupt nicht. Wahrscheinlich deshalb sagte Marilena, ich lebe in einer anderen Welt.
    Â»Zieh dich an, schaust du denn gar nicht auf die Uhr?«, schimpfte sie plötzlich erregt.
    Â»Und was macht sie, reibt sie sich die Kopfhaut noch mit Petroleum

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