Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Adamesteanu
Vom Netzwerk:
sicheren Bewegungen eines umsichtigen Mannes, der ein anderer war als ich. Seine Loslösung empfand ich nicht mehr als Riss, ich litt nur, weil ich zurück musste und auch jetzt noch nicht wusste, wem ich meine abstrakte und vom Warten ganz entstellte Liebe schenken sollte. Und einen Augenblick lang hasste ich ihn, unbeherrscht und rachsüchtig, weil er anders war, als ich ihn haben wollte, weil er nichts begriff.
    Â»Was hast du?«, fragte er nebenbei und eilte zum Telefon, das läutete.
    Wieder riss mich ein Wirbel tief hinab in die Leere, in der ich allein war. Ich hätte entsetzt fliehen und meine widernatürlich starrsinnige Liebe in diesem Zimmer zurücklassen müssen, es hätte mir klar sein müssen. Aber eingebunden in das Ganze, wie ich war, spürte ich nur, wie in den Zimmern ohne Licht die Luft zerriss, durch die wir noch bis zur Ausgangstür gehen mussten.
    Â»Willst du dich kämmen?«, raunte er und fuhr mir so sanft mit der Hand durchs Haar, dass ich es kaum spürte.
    Ich schüttelte nur den Kopf, setzte ohne Eile die Strickmütze auf, legte den Schal um, zog die Handschuhe an. Seine Liebkosung, die nicht nur mir galt – wem sonst und wie vielen? –, bewahrte ich in meinem Haar, mir kam es vor, als erwartete ich nichts mehr, genau wie er, oder erwartete ihn doch noch, aber ganz anders, irgendwann, wenn auch ich wirklich eine andere sein würde.
    Draußen in dem feuchten Nebel, der nach Rauch roch und die Lichter schluckte, schwammen die Straßen in gelöster Melancholie. Die Hände in den Taschen, schritt ich langsam aus, freute mich, dass ich gehen konnte und dass der Abend kurz und traurig gewesen war. Über mich, so wie ich war, konnte ich mich freuen in dieser Stunde, die ja auch seine war, wo wir doch in denselben Gesten und denselben Worten befangen waren. Und ich ging auf das Ende unserer Stunden zu, das ich mit herzzerreißender, inniger Wehmut kommen sah.
    Der Regen hatte schon lange aufgehört, doch in den zurückgebliebenen Pfützen zeichneten sich die dunklen Baumstämme, die Straße, die ich entlangging, die Mauern und Dächer deutlich ab, wie mit der Feder umrissen. In den Löchern des Gehsteigs flackerte graues Licht, in dem die reglosen Blätter am Grund leise bebten.
    *
    Als ich mich im Bett umdrehte und in den feuchten Kissen wühlte, splitterte das Fenster, weiß vom Licht des neuen Morgens, unter meinen ungeschützten Lidern. Ich erkannte den Schrecken des Erwachens und den Geschmack des immergleichen Schmerzes. Wie einen Akt des Leichtsinns bereute ich den Anruf und das Treffen, das ich veranlasst hatte, wieder hatte ich mich verirrt auf dem Weg der letzten Wochen, in denen ich das Wiedersehen mühevoll hinausgeschoben hatte. Ich stand auf und ertastete in dem von Atemzügen und Gerüchen erfüllten Zimmer auf dem unaufgeräumten Tisch ein fleckiges Glas, in dem ich im Bad geduldig das schale Wasser sammelte, das ohne Druck aus dem Rohr tröpfelte. Es war also so früh, dass sie es noch gar nicht aufgedreht hatten. Die Unruhe geleitete mich mit bösen Augen über den Korridor, das Dunkel floss durch mich hindurch wie ein schweres Erschrecken, das Erschrecken darüber, dass ich ihn von Tag zu Tag mehr verlor, dass ich noch gar nichts erreicht hatte, dass ich immer noch am Anfang stand. Es gibt etwas Verborgenes, Feindliches in mir, und das bin ich, ich habe meine widernatürlich starrsinnige Liebe ständig verheimlicht, ich habe gewusst, dass ich schweigen muss, damit die Mädels nicht merken, dass Petru mich nicht besucht. Etwas Beschämendes lag in dieser ganzen Geschichte, sonst hätte ich sie nicht verheimlicht, aber während ich immer weiter geschwiegen hatte, hatte sich etwas in mir verkapselt. Ich hatte den Eindruck gehabt, ich würde irgendwann Zugang finden zu einer anderen Welt als der ihren, ich müsste nur schweigen und weiter warten, eine Woche und noch eine. Und dann fiel es mir zu schwer, mich irgendwie zu entscheiden, ich war zu weit gegangen, als dass ich noch zurück gekonnt hätte, und ich wusste nicht, ob ich vor Stärke oder Schwäche zögerte.
    Â»Wieso vertraust du mir überhaupt nicht?«, hatte Petru gefragt.
    Ich vertraue mir selbst nicht oder viel zu sehr, ich weiß es nicht, ich möchte jetzt sein wie die anderen Mädels; neidisch lausche ich ihrem ruhigen Atem, während ich meinen Kopf tief ins Kissen bohre und

Weitere Kostenlose Bücher