Der gleiche Weg an jedem Tag
Ich erinnere mich nicht, was wir damals geredet haben, doch alle Jahre wieder kommt es vor, dass ich unvermittelt in eine feuchte Dunkelheit hinaustrete. Es ist immer dieselbe Nacht, mit einem Freudenschauer erkenne ich sie wieder, in den Dachrinnen gluckert es, und die Bäume stehen in vollem Saft, in weiÃer Blütenpracht ⦠Ich weià nicht, was mir, die ich gar nicht dort bin, dabei begegnet, das Dasein des Onkels in mir oder das ewige Abwarten â¦
Kapitel XIII
L angsam erlosch das Licht des Abends und schimmerte mit warmen Reflexen an den Mauern nach. Ich mochte diese Stunde in der wachen Stadt, das Gewimmel, durch das ich ging, das Quietschen der Autos. Das frostige Rot des Sonnenuntergangs funkelte in den Fenstern, an denen ich vorüberging, und zog mit mir von einer Scheibe zur nächsten. Der Himmel wirkte stählern von dem Frost des nahenden Abends, die dünne Luft war reglos, so reglos, dass ich spürte, wie eine Farbe in die andere überging. Nur das schwarze Gewirr der Ãste zeichnete sich deutlich vor dem kalten Himmel ab.
Ich betrat den leeren Eingangsbereich. Irgendwo oben auf der Treppe hallten verspätete Schritte. An dem schwarzen schmiedeeisernen Käfig des Aufzugs hing immer noch das Plakat. GroÃe schiefe Buchstaben in Rot und Grün kündigten den Arbeitskreis dieses Abends an mit dem Vortrag, den Cornel Ungureanu vom vierten Studienjahr halten würde. Die Korridore waren anders, als ich sie von tagsüber kannte, das Knarren der einen oder anderen Tür rundete die Stille ab. So wird es aussehen, wenn ich den Abschluss geschafft habe und irgendwann zufällig wiederkomme, dachte ich, allerdings ohne Ãberzeugung. Alles erschien mir unwahrscheinlich, diese mit blassgrüner Ãlfarbe gestrichene Wand, die verwinkelten Treppen, die von fremden Händen glatt gescheuerten Handläufe der Geländer, das alles kannte ich inzwischen so gut ⦠Irgendwo klirrte Eisen, ich zuckte zusammen und drehte mich um. Die Putzfrau hatte den Spüleimer vor das Klo geknallt, dann hörte ich, wie der Besen über den feuchten BetonfuÃboden strich.
Vor der Tür des Amphitheaters blieb ich stehen. Von drinnen kamen unbekannte Stimmen und Gelächter. Ich zögerte und überdachte die Bewegungen, mit denen ich eintreten würde. SchlieÃlich muss es ja nicht unbedingt heute sein, sagte ich mir, ich komme lieber nächstes Mal. Ich hatte mich schon zum Gehen entschlossen, als ich erst recht die Klinke hinunterdrückte und eintrat.
Ich setzte mich im Mantel hin, das alte Holz ächzte und die hochgeklappten Sitze krachten nacheinander hinunter, dass es nur so hallte im Saal. Als ich aufzublicken wagte, sah ich zwei Jungs, die rauchten und die Beine vom Heizkörper baumeln lieÃen, zwei oder drei andere standen Schmiere an der Tür wie vor einer Vorlesung, die übrigen Leute drängelten sich in der vorderen Reihe. Man sah, dass sie zu dem Kreis gehörten und sich gut kannten. Von der einen, die etwas erzählte, wobei sie sich ständig mit der schmalen Hand mit langen rotlackierten Fingernägeln durch die Haare fuhr, hatte ich gehört, sie sei mit einem Assistenten verlobt, sie trug einen ausgefransten Pulli und einen kurzen Lederrock. Die hohen Stiefel gingen ihr bis über die Kniescheiben.
»Die hat ihn schlicht plattgemacht, sobald er die Vorlesung abschlieÃt, ist sie auch schon hinter ihm her«, sagte die Gestiefelte und konnte sich nicht einkriegen vor Lachen.
Die Zuhörer begannen ebenfalls zu grinsen.
»Sie hinterlässt auch beim Lehrstuhl Zettel für ihn, abends ruft sie ihn zu Hause an ⦠Vor Angst zieht er meistens den Stecker â der zählt schon die Monate bis zur Prüfung ⦠Er wird sie mit geschlossenen Augen durch die Prüfung bringen, hat sie zu uns gesagt, sie befürchtet nur, dass andere sie durchfallen lassen und sie im Herbst von vorn anfangen muss ⦠Ich habe ihr gesagt, sie muss zusehen, dass er sich auch um alle anderen kümmert â¦Â«
»Eigentlich muss hier eine radikale Lösung her, er sollte die Fakultät verlassen«, warf einer der Jungs ein, wobei er in irgendwelchen Papieren blätterte. Als Einziger trug er Anzug und Krawatte, dazu eine goldgerahmte Brille; ich war fast sicher, dies war Cornel Ungureanu, viertes Studienjahr.
Alle lachten sie los, auÃer ihm. Ich grinste ebenfalls mit schiefem Mund, lieà es
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