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Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Adamesteanu
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aber gleich sein, es sah ja eh keiner her.
    Â»Er kooommt«, riefen die von der Tür und schlenderten zu den vorderen Bänken, während ich erleichtert aufatmete.
    Das kommt mir bekannt vor, dachte ich mir, bloß woher? Sie hatten sich wie ein Präsidium am Katheder versammelt, in der Mitte Petru Arcan. Ein schmächtiger Junge mit wirrem Haarschopf, fast unmerklich wankte er und stützte sich mit den Handflächen auf dem Katheder auf.
    Â»Ich erteile Genossen Cornel Ungureanu das Wort, er liest über …«
    Es sieht aus wie eine gewöhnliche Sitzung, sagte ich mir und war plötzlich enttäuscht von der Erkenntnis. Gibt es denn nirgends einen Ort, wo die Dinge anders laufen als in einer Sitzung? Dafür beschwor der Text von Cornel Ungureanu aus dem vierten Studienjahr eine andere Welt herauf. Ich lauschte mit krampfhaft hochgezogenen Brauen, dann und wann stolperte ich über sonore Wörter, die ich selbst nie verwendete. Ich werde sie lernen müssen, dachte ich, ich werde sie in ein Heftchen schreiben, wenn ich Zeitschriftenartikel lese, aber zuerst werde ich diejenigen vergessen müssen, an die ich mich in der Schule gewöhnt habe. Doch je aufmerksamer ich zuhörte, desto weniger begriff ich, mein wirrer Kopf ging unter in dem Schwall von Namen und Titeln, von denen ich bis dahin nichts gehört hatte. Nein, sagte ich mir verängstigt und begeistert und rang die feuchten Hände unter der Bank, niemals werde ich so weit kommen, dass ich von dort, von dem Tisch auf dem Podium, dergleichen vorlesen kann, niemals … Von meiner Unwissenheit umnebelt, verschwammen meine Gedanken, während ich verstohlen in den Saal schielte. Sie, die anderen, die wussten und verstanden zweifellos alles, deshalb steckten sie die Köpfe zusammen und flüsterten sich etwas zu oder gähnten oder sahen auf die Uhr oder zum Fenster hinaus.
    Â»Meldet euch bitte zu Wort – vorerst aber, wenn ihr Verständnisfragen habt, richtet diese an den Referenten …«
    Der schmächtige Junge setzte sich wieder, stützte seine Stirn in die Handfläche und legte seinen Füller neben das leere Blatt. Sofort senkte ich die Augen, für einen Moment hatte ich geglaubt, er habe mich angesehen. Von meiner ganzen Begeisterung war nur noch die Furcht übrig. Wenn das alles doch nur zu Ende wäre, sagte ich mir, bevor die merken, dass ich nicht in der Lage bin, auch nur ein Wort über die Arbeit zu sagen.
    Es war sonnenklar, unter diesen hier war ich ein Eindringling.
    *
    Â»Na, wie war’s? Hast du auch geredet?«
    Ich zuckte die Achseln und begann mich auszuziehen, wobei ich mich fragte, ob es einen Sinn hatte, noch einmal hinzugehen.
    Angeödet drehte ich mich mit dem Gesicht zur Wand und begann am Putz zu kratzen, bis der Kalk mir unter den Fingernägeln brannte. Dieser Abend war wie alle anderen, im Vergleich zu dem Zimmer der fortgeschrittenen Semester hatte sich nichts geändert, jetzt waren wir genau wie die. Eigentlich sehe ich ja auch gar keine Möglichkeit, anders zu sein, dachte ich mir und kniff die Lider zusammen vor so viel Licht.
    Die Mädels lachten dermaßen laut, dass nebenan jemand an den Heizkörper klopfte.
    Marilena griff sich eine Sandale vom Boden und schmiss sie statt einer Antwort an die Wand, dabei fiel ihr Blick auf Didi, die sich vor dem Fenster mit hochgezogenen Rollläden auszog.
    Â»Menschenskind, Mädel, der ganze Boulevard schaut dir zu, wie du dein Geschirr abmachst …«
    Â»Na und, ist das etwa deine Sache?«, entgegnete die andere mit plötzlich verändertem Gesichtsausdruck und warf den Büstenhalter wütend aufs Bett.
    Sie fingen wieder damit an, und ich wusste, es würde dauern. Ich gähnte und vergrub mein Gesicht ins Kissen, ich hatte es satt. Wie wohl das Zimmer aussah, in dem Petru Arcan wohnte? Ich dachte an all die Fenster, in die ich hineinsah, wenn ich abends mit Mihai spazieren ging, an die bücherstrotzenden Regale, die bis zur Decke reichten, und manch einen silbernen Kerzenleuchter, der im rötlichen Licht der Nachttischlampe glänzte. Ich war sicher, dass er in ein solches Haus gehörte. Mir aber, mir würde nie etwas Besonderes gelingen, nicht einmal eine Arbeit für den Arbeitskreis … Im Einschlafen vermengten sich die Worte, verzogen sich die Gesichter und versanken in etwas Anderem. Ich schlafe ein, spürte ich verwirrt, während alles

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