Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Adamesteanu
Vom Netzwerk:
stehen, allzu viele Pfeile und Knöpfe leuchteten da immer wieder auf und erloschen, er hatte auch keinerlei Ähnlichkeit mit dem im Wohnheim oder dem in Biţăs Wohnblock, und ich wollte nicht, dass hier jemand merkte, dass ich nicht damit umgehen konnte. Schnaufend vom hastigen Treppensteigen, betrat ich den langen Gang, dessen Teppich meine unbedeutenden Schritte aufsog. An den in umgekehrter Reihenfolge nummerierten Türen hingen gelbe Glastäfelchen, auf denen in schwarzen Großbuchstaben stand: DIREKTOR DOKUMENTATION SEKRETARIAT KADERABTEILUNG . Auf anderen wiederum stand nichts. Verwirrt blieb ich vor jedem stehen, ging wieder zurück, durch eine der angelehnten Türen erspähte ich hin und wieder eine leere oder eine mit Papieren überhäufte Schreibtischecke. Satzfetzen drangen bis zu mir, ich versuchte sie zu behalten und zu verstehen, wobei ich konzentriert die Stirn in Falten legte. Ich war mir sicher, sie steckten voll tiefer Bedeutung, und konnte mir nicht erklären, wieso diese verloren ging, ehe sie bei mir ankamen. Zwei Männer in hellen Anzügen mit Aktentaschen in der Hand traten aus einem der Zimmer und gingen zum Aufzug.
    Â»Hör doch auf«, sagte der kleinere, als er auf meiner Höhe war. »Was heißt das schon, er ist sein Mann? In dieser Lage wird er seine Haut nicht für ihn zu Markte tragen, er wird ihn fallen lassen …«
    Ich hätte gerne gefragt, wo ich Arcan finden könnte, traute mich aber nicht. Nachdem sie im Aufzug verschwunden waren, hielt ich mich an eine füllige wasserstoffblonde Frau, die mit Adressenlisten vorbeiging. Ich zögerte so lange, ehe ich den Mund aufmachte, dass sie schon weit voraus war. Sie ging ans Ende des Gangs, von wo das Rattern einer Schreibmaschine zu hören war. Dieser Lärm, unsichtbar wie die Luft, erschien mir als geheimnisvolles Zeichen jener Welt, zu der ich Zutritt suchte – um jeden Preis.
    Â»Der Genosse Arcan …«, sagte ich fragend und schob die angelehnte Tür weiter auf.
    Die eine Maschine stand unter einem schwarzen Überwurf, an ihr saß niemand. Die füllige Frau machte eine Handbewegung: »Dritte Tür links …«
    War es denn möglich, dachte ich verwundert, dass ihre Brauen schlecht gezupft waren und ihr billiger Lippenstift bröselte?
    *
    Â»Ja, was gibt’s?«, fragte er, ohne aufzusehen.
    Er blätterte in einem Typoskript und runzelte hin und wieder die Stirn. Sein Schreibtisch voller Bücher und Stapeln von Ausgaben der Zeitschrift des Instituts stand am gegenüberliegenden Rand eines Teppichs, der so groß war, dass ich zögerte, noch einen Schritt zu tun, und an der Tür stehen blieb.
    Â»Ich weiß nicht, ob Sie sich noch an mich erinnern«, stammelte ich leise. Das war der Satz, den ich mir zurechtgelegt hatte, nur hatte er ihn wahrscheinlich gar nicht gehört.
    Er hob die weichen Augenbrauen, und ich war sicher, Hektik in seinem Gesicht zu erkennen. Sie rührte wohl daher, dass ich ihn bei der Arbeit gestört hatte, oder daher, dass er mich nur anzusehen brauchte, um festzustellen, dass nichts, was eine wie mich zu ihm führte, ihn interessieren könnte.
    Â»Ich weiß nicht, ob Sie sich noch an mich erinnern«, wiederholte ich. Mein Mund war staubtrocken, und verzweifelt merkte ich, wie peinlich mein so oft geübter Satz klang. »Ich hatte auch eine Prüfung bei Ihnen …«
    Dabei durchquerte ich das Zimmer, das sich immer weiter auszudehnen schien, wobei meine Schuhspitzen sich bei jedem Schritt in den weichen Teppich bohrten wie in Sand und sich dabei verhakten. Lange dauerte es, bis ich aufrecht vor ihm stand, während die Unruhe mich feucht überrieselte und meine Wangen glühten. Ich spürte, wie die Haut darüber spannte, als hätte ich sie heftig mit Seife gerieben.
    Â»Ja, doch, das Gesicht kommt mir bekannt vor … Eigentlich habe ich nur noch wenige Stunden an der Hochschule …« Er hatte das Typoskript weggeschoben und sah mich nun etwas aufmerksamer an. Ich war verstört, weil ich keine seiner unsicheren Gesten von damals wiedererkannte; plötzlich ging mir auf, dass die Entfernung zwischen uns mit den Jahren gewachsen war, so dass all die blinde Zuversicht, mit der ich zu ihm gekommen war, mir lächerlich erschien. Ich suchte den Schreibtisch nach einem freien Plätzchen ab, auf dem ich die Schriften meines Onkels hätte ablegen

Weitere Kostenlose Bücher