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Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Adamesteanu
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bloß ein Gewirr schwarzer Drähte übrig, in dem nur schwer zu entziffern war: LEST TÄGLICH DIE SCÂNTEIA . Darunter breitete die Stadt ihre winzigen weißen Bauten zu meinen Füßen aus, ein idealer und ferner Entwurf. Unter dem verwirrenden Eindruck ihrer Weitläufigkeit kam eine merkwürdige Freude in mir auf. Vielleicht hatten sie überhaupt nie auch nur im Sinn gehabt, hierzubleiben, so dass sie jetzt auf gar nichts verzichten mussten. Ich musste unbedingt heute schon damit aufhören, alles hinauszuschieben, bis ich einsehen würde, dass mir nichts gelungen war – wie Onkel Ion. Über der reglosen, grauen und öligen Dâmboviţa rauschten die schwer herabhängenden Kronen der alten Bäume in dem dünnen Wind, nur vom Grün des Laubes tropfte fleckig Schatten ins Wasser. Dort unter der abschüssig ausgewaschenen Uferbank lagen drei Männer in aufgeknöpfter Arbeitskluft, auf die Ellbogen gestützt, am brackigen Wasser und aßen. Ich sah, wie sie sich nacheinander zu dem Stück Zeitungspapier beugten, um Brot und Wurst zu schneiden. In ihren verlangsamten Bewegungen schien die Zeit irgendwie stillzustehen, ich aber wusste, dass es nicht so war. Zumindest für mich nicht so war.
    Â»Schau doch noch mal bei uns vorbei.« Die Predescu wandte mir ihr gerötetes Gesicht mit der schmalen, von dem drahtig gekräuselten Haar erdrückten Stirn zu.
    Ich nickte und ließ mich mit geschlossenen Augen auf die Decke fallen. Ich spürte, wie kühl meine Lider waren, doch mein Körper zerfloss in der heißen Sonne, und den monotonen Lärm um mich herum nahm ich wie das Rauschen eines Wassers wahr. Mir war nicht klar, wieso ich überhaupt keine Lust mehr hatte, bei ihnen vorbeizuschauen. Es hätte nicht sein müssen, denn Marta war viel nachgiebiger allem und jedem gegenüber, seit sie Dinu regelmäßig traf und die Hochzeit im Sommer in Aussicht hatte. In jedem Satz sprach sie von ihm – vielleicht ohne es zu wollen, aber ich vermutete, sie wollte jede Erinnerung an die Verwicklungen mit Barbu aus unserem Gedächtnis löschen. »Als ich mit Dinu zusammen war«, sagte sie, oder: »Dinu hat mir das verboten …« Ihre Notizen waren wohlgeordnet und die Bücher auf dem Nachschränkchen gestapelt, aber sie las nicht mehr wie besessen bis in die Nacht hinein. Eher ging sie ins Bad und ins Bügelzimmer und erledigte ihre eigene und Dinus Wäsche, die sie irgendwann spät, sorgfältig gestärkt, sauber gebügelt und gefaltet zurückbrachte. In ihre Stimme, selbst in ihre Bewegungen war eine kategorische Sicherheit getreten, die sie bisher nicht gehabt hatte. Milde lächelnd fragte sie mich: »Wie geht es dir so?«, und strich mir übers Haar, achtlos und mit einem Gesichtsausdruck, in dem die Überzeugung stand, dass sie alles wisse, was mir noch passieren konnte.
    Meistens fand ich alle auf einem Haufen in einem Bett. Sie rechneten sich die Möglichkeiten aus, Stellen zugeteilt zu bekommen, die in der Nähe der Städte ausgeschrieben waren, in denen ihre Männer sein würden, diskutierten über die Anordnung der Zimmer und darüber, ob man den Herd oder die Küchenmöbel zuerst kaufen sollte. Ohne das Gekicher von früher, mit einer Ernsthaftigkeit, die sich eher auf das Bewusstsein dessen, was ihnen zustand, als auf Gewohnheit gründete, redeten sie viel über Schwangerschaften und Abtreibungen, wobei jede Beispiele aus eigener Erfahrung beisteuerte.
    Wenn wieder Schweigen eintrat und sie nichts mehr zu sagen wussten, wandte sich die eine oder andere an mich.
    Â»Und du«, fragte sie aufmunternd, »hast du auch jemanden?«
    Sie starrten mich alle an, und ich errötete vor Ohnmacht und Wut.
    Â»Lasst sie doch in Ruhe«, sagte Marta. »Sie hat noch Zeit …«
    Â»Wieso das denn?«, fauchte die Predescu und wischte sich mit der halben Serviette, in der ihre Frühstücksstulle eingepackt gewesen war, den Lippenstift ab. »Damit ist jetzt Schluss, sie muss jemanden finden und sehen, ob der es ernst meint, sonst …«
    Clara, die bis dahin bei all dem Lärm gelesen hatte, nahm plötzlich ihr Buch, das voller Zettel steckte, ging hinaus und knallte die Tür.
    Â»Die aber auch«, schnitt ihr die Predescu eine Grimasse hinterher, »die hat all die Jahre nichts als gepaukt …«
    Â»Das glaubst aber nur

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