Der globale Polizeistaat
ausnahmslos respektieren und sogar beschützen. Bundeswehrsoldaten üben öffentliche Gewalt aus. Also müssen Bundeswehrsoldaten bei ihren Einsätzen überall auf der Welt, nicht nur im Bundesgebiet, die Menschenwürde achten. Andererseits kann das irgendwie nicht stimmen: Dürften deutsche Generäle nicht den Befehl geben, Menschen zu opfern, um militärische Ziele zu erreichen, könnten sie gleich zu Hause bleiben. Das wäre zwar, könnte man einwenden, besser so, ist aber lebensfremd. Auch Verfassungsrichter, fragt man sie privat, tun sich schwer, die Frage, ob die Garantie der Menschenwürde auch im Krieg
gilt, klar zu beantworten. Eine Antwort versucht immerhin Dieter Grimm: »Das Gebot, die Menschenwürde zu achten und zu schützen, gilt auch für deutsche Soldaten. Aber man muss genau prüfen, welches Verhalten die Würde berührt und welches nicht.« Vielleicht waren da die Richter, so meinen manche, zu großzügig. Und das haben sie nun davon, lästert die Terrorbekämpfer-Szene nicht ohne Schadenfreude, jetzt sind sie in der Klemme. Grimm teilt diese Schadenfreude nicht: »Das Gericht ist erstmals herausgefordert gewesen, an der Garantie der Menschenwürde zu arbeiten.«
Die Schwierigkeiten der Richter, vom Krieg zu reden, ermutigt die Krieger gegen den Terror. Wenn es nicht gelingt, das Grundgesetz am Verfassungsgericht vorbei aus den Angeln zu heben, dann muss eben das Verfassungsgericht aus den Angeln gehoben werden.
»Bereit, ihr Leben hinzugeben«
Aus der Zukunft des Verteidigungsministers - Wie gefährlich
ist der Krieg? - Ohne Selbstaufgabe keine Selbstachtung -
Die Schutzbefohlenen - Der Feind ist überall
Manche Texte sind so plumpe Übertreibungen, dass sie sich ohne Weiteres als Fälschung entlarven. Etwa dieser:
Berlin, 1. September 2011
Der Bundesminister der Verteidigung
Abteilung XIa - Abwehr terroristischer Gefahren
1. Der Verteidigungsminister gibt bekannt: Es liegen Hinweise vor, dass zum zehnten Jahrestag der Attentate auf New York und Washington ein Anschlag mit möglicherweise nuklearem Material auf eine öffentliche Einrichtung der Bundesrepublik Deutschland geplant ist. Aus diesem Grund habe ich die Bewachung sämtlicher Regierungsgebäude, Großstadtbahnhöfe, Flughäfen,
Rundfunkanstalten durch Kräfte der Bundeswehr angeordnet. Lebenswichtige Versorgungsbetriebe werden durch entsprechend ausgerüstete Bundeswehreinheiten übernommen und weitergeführt. Die Kräfte haben Anweisung, gegen jeden, der sich ihren Anordnungen widersetzt, die Schusswaffe, notfalls gepanzerte Geschütze einzusetzen.
2. Die Berichterstattung durch Presse und Fernsehen über etwaige Anschläge sowie über Maßnahmen zu deren Verhinderung wird aus Gründen der öffentlichen Sicherheit verboten, da die Verbreitung der unrechtmäßigen Erfolge seiner Betätigung eines der wichtigsten Ziele des transnationalen Terrorismus ist. Um diese vorrangige Aufgabe der Gefahrenabwehr sicherzustellen, sind ab sofort sämtliche Veröffentlichungen zum Thema innere Sicherheit den zuständigen Polizeibehörden zur Genehmigung vorzulegen.
3. Die Bevölkerung ist angewiesen, bei unvermeidlichen Straßenkontrollen durch die bewaffneten Kräfte Ruhe zu bewahren und den Schutzbefohlenenausweis stets bei sich zu führen. Die Ausweise können - wie bereits in der Terrorabwehrergänzungsnotverordnung vom 10. September 2010 vorgesehen - bei den örtlichen Polizeidienststellen gegen Vorlage der üblichen Unbedenklichkeitsbescheinigung mit dem aktuellen Verlängerungsdatum der Verfassungsschutzstellen - abgeholt werden. Wer ohne Schutzbefohlenenausweis angetroffen wird, kann in Sicherungshaft genommen werden. Menschenansammlungen von mehr als zwei Personen sind verboten.
4. Für die Haftanstalten der terroristischen Gefahrenabwehr gilt Isolationssperre. Weder Anwälte noch Familienangehörige bekommen Zutritt zu den Sicherungsinhaftierten.
5. Der Rechtsschutz gegen die oben genannten Maßnahmen wird aus dringenden Gründen der öffentlichen Sicherheit für vier Wochen suspendiert.
6. Das Bundesverfassungsgericht bleibt geschlossen. Gezeichnet: Dr. Jung.
Beglaubigt: die Urkundsstelle der Abteilung XIa - Müller
Wer nicht glauben will, soll lesen. Im renommierten Münchner Beck Verlag erschien Ende 2008 die aktuelle Ergänzungslieferung des Loseblattkommentars zum Grundgesetz, der unter den Namen der Gründer »Maunz - Dürig« zur Bibel des deutschen Verfassungsrechts geworden ist. Die Wissenschaftler, die sich
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