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Der globale Polizeistaat

Der globale Polizeistaat

Titel: Der globale Polizeistaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Darnstädt
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chartagemäße Maßnahme der Friedenssicherung getroffen hat. Das Selbstverteidigungsrecht, das in Artikel 51 erwähnt ist, ist insoweit nicht verschieden vom Notwehrrecht des deutschen Strafrechts: Man darf es nur ausüben, bis die Polizei da ist.
    Mit dem Sicherheitsrat lässt sich kein Krieg führen - jedenfalls nicht gegen den Terror. Nicht einmal als Ermutigung zum Einmarsch in Afghanistan lässt sich die Resolution deuten. Vielmehr schlägt das Weltgremium so konventionelle Maßnahmen vor wie die, Terroristen vor Gericht zu stellen.
    Das schließt natürlich nicht aus, dass die Vereinigten Staaten und ihre Bündnispartner sich auf das in Artikel 51 der UN-Charta erwähnte »naturgegebene Selbstverteidigungsrecht« gleichwohl berufen durften, als sie zum Mittel des Krieges griffen. Die Gründungsväter der Vereinten Nationen haben 1945 dieses Recht so respektieren wollen, wie es »naturgegeben« war. Nun wissen wir, dass der Staat - anders als die Menschen - nicht in der Natur vorkommt, sondern von Menschen gemacht ist. Folglich kann er, anders als die Menschen mit ihren Menschenrechten, auch keine »naturgegebenen Rechte« haben. Und damit sind wir wieder bei »Caroline«: Seit damals jedenfalls ist es Brauch, ein Recht des Staates, sich zu verteidigen, nicht nur gegenüber staatlichen Angriffen, sondern unter Umständen auch gegenüber terroristischen Angriffen anzuerkennen.

    Und dass sich das entsprechend in Artikel 51 der UN-Charta so niedergeschlagen hat, ist zumindest die Ansicht so namhafter Völkerrechtsexperten wie des Kölner Professors Claus Kreß, der sich schon in einer Untersuchung von 1994 23 , also lange vor den Attentaten in den USA, vorsichtig so ausdrückte: Es gebe »Gründe von mehr als nur sehr geringem Gewicht für die Subsumtion grenzübergreifender Gewaltanwendung Privater« unter die Formulierung »Angriff« in Artikel 51 UN-Charta. Allerdings sieht Kreß, dass es nicht vollkommen gleichgültig sein kann, wie der Staat, von dem aus etwa Terroristen agieren, sich in dieser Sache verhält. Für einen Selbstverteidigungsschlag auf fremdem Staatsgebiet sei zumindest Voraussetzung, dass dem »Basen-Staat«, in dem der Krieg gegen die Täter geführt wird, in irgendeiner Weise völkerrechtswidriges Verhalten vorzuhalten sei - und sei es, dass er zu wenig gegen den Terrorismus in seinem Land unternommen hat.
    Darf also nach dieser Lesart des Selbstverteidigungsrechts Amerika seine Drohnen nach Afghanistan schicken - nach Deutschland aber nicht? Und was dürfte Deutschland in einem »Caroline«-Fall tun? Und was folgt daraus für die These des Kreß-Kollegen Depenheuer, der Staat dürfe zur Selbstverteidigung auch Krieg im eigenen Land führen? Das Kreß-Zitat in seiner vorsichtig tastenden Art zeigt, wie vermint das Gelände ist, auf dem die Völkerrechtler schon lange vor dem 11. September 2001 zugange waren.
    Denn das Selbstverteidigungsrecht ist der Hebel, der die gesamte moderne Weltordnung reguliert: Wird es streng begrenzt, stärkt dies die Staatenordnung der Vereinten Nationen, die auf dem allgemeinen Gewaltverbot und dem Entscheidungsmonopol des Sicherheitsrates basiert, aber auch auf dem Prinzip gleichberechtigter, souveräner Staaten, die gegenseitig ihre Grenzen und die Unverletzlichkeit ihres Staatsgebietes zu respektieren haben. Wird das Selbstverteidigungsrecht großzügiger ausgelegt, stärkt es die Eigenmächtigkeit der Staaten und schwächt das Sanktionsmonopol der Vereinten Nationen. Wer es schließlich,

    Parole »Caroline«, so auslegt, dass es Schläge gegen Angriffe durch Nichtstaaten rechtfertigt, riskiert nicht nur die Friedensordnung der Uno, sondern das ganze Westfälische System, denn in diesem Falle ist es unter Umständen möglich, kriegerische Gewalt statt gegen den feindlichen Staat gezielt gegen einzelne Menschen auf dem Gebiet eines (vielleicht gar nicht feindlichen) anderen Staates auszuüben - etwa Krieg gegen Al Kaida-Terroristen zu führen. Dies aber ist ein Bruch mit dem Prinzip der gegenseitigen Unverletzlichkeit staatlicher Souveränität. Wenn ein Staat Krieg gegen Menschen auf einem benachbarten oder aber auch - wie im Falle Al Harthis - einem weit entfernten Staatsgebiet führen darf, dann unterstehen diese Menschen potenziell der Gewalt nicht nur »ihres« Leviathan, sondern einer unübersehbaren Anzahl fremder, drohnenschießender Leviathane. Das würde den Zusammenbruch des Prinzips des Krieges als geordnetes Gegeneinander von Staaten bedeuten,

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